Ich habe schon oft und mit durchaus wechselndem Erfolg Weine mit alternativen Herstellungsmethoden verkostet aber noch nie einen ganzen (Wein-)Abend damit bestritten. Fazit: Es war sehr gut, es hat uns sehr gefreut!
Text: Klaus Egle, Fotos: Elisabeth Egle
Ich glaube, der Sager wird Bruno Kreisky zugeschrieben, der auf einen überraschenden Meinungs-Umschwung angesprochen, einmal meinte: „Es kann mich niemand daran hindern, klüger zu werden!“ Genau so geht es mir und ich muss sagen, die erste kluge Entscheidung war es, für unseren aktuellen Weinguide „Wein mit Egle“ im Wirtshausführer 2022 neben Top-Weinen und Preis-Leistungsweinen erstmals auch Weine mit alternativen Herstellungsmethoden in die Verkostung mit aufzunehmen. Was mir unter anderem ermöglicht hat, nicht nur sporadisch, sondern systematisch zu verkosten, was in der heimischen Weinszene an alternativen Weinstilen so unterwegs ist. Die Bandbreite reicht dabei von spontanvergoren mit Naturhefen, langer Hefelagerung, kaum Schwefel und unfiltrierter Abfüllung (eher für Einsteiger) bis zu Orangeweinen und Ausbau in der Amphore – für Fortgeschrittene. Ein Wein-Abend mit Freunden, die für das Thema offen sind, geriet zu einer genussvollen Wein-Reise durch verschieden Typen, Stile, Philosophien und Regionen: Immer spannend, immer fordernd und am Ende wirklich ein großes Vergnügen und eine neue Erfahrung.
My dear Sauvignon Blow!
Den Anfang machte der Pet Nat „my dear!“ von Franz Leth, den man eigentlich schon wegen seinem witzigen Etikett mögen muss. Alle Vorurteile gegen diese Gattung von „Wildwuchs-Sprudel“ sind beim ersten Schluck gleich weggewaschen: Zart, frisch und animierend, mit saftigen Zitrusnoten, feinperligem Mousseux und rosé sowieso. Das ist nicht nur elegant und trinklustig sondern auch absolut mehrheitsfähig. Der zweite Wein nennt sich „Sauvignon Blow“ 2020 und ist ein Guerilla-Weinprojekt des steirischen Winzerpaares Katharina Tinnacher und Christoph Neumeister, das die beiden bis dato auch vor mir geschickt geheim gehalten haben. Ein Sauvignon Blanc „wie früher“ – ich kann das bestätigen, weil ich damals schon dabei gewesen bin… Die Vermählung zweier Weine und zweier Welten – 50 Prozent Südsteiermark, 50 % Vulkanland Steiermark – spontan vergoren, je sechs Monate auf der Voll- und auf der Feinhefe, unfiltriert und mit minimaler Schwefel-Zugabe abgefüllt. Im Duft grüner Paprika, Ribiseln, Brennesseln, Kräuterwürze, dann am Gaumen knackig und rassig mit viel Grip, super trocken, feingliedrig, engmaschig, mineralisch und mit schönem Trinkfluss. Ein Wein der Anspruch und Trinklust in ein Glas bringt und den Gaumen mit leichten 11,5 Prozent Alkohol keine Sekunde ermüdet.
Orange zur Rindsroulade
Nach diesen Präliminarien und der Vorspeise wurden nun klassische Rindsrouladen angekündigt. Normalerweise ein Fall für Rotwein, wir blieben aber bei weiß – oder besser gesagt: orange. Dosierter Gerbstoff, Oxidation, Bodentöne, das könnte sich ausgehen, so meine Überlegung. Beim „Bodenwerk“ 2013 von Viktoria Preiss findet man den (Löss-)Boden gleich dreimal: Im Namen, auf der Flasche und im Wein. Im Duft mit Aromen von Apfelkompott bis Blütenhonig und Rosinen zeigt er am Gaumen eine gute Struktur mit feinem Gerbstoff und einem Hauch von Fruchtsüße – ein Freund der Rindsroulade, wie erhofft. Aber weil man auf einem Bein nicht stehen kann, kam zum Hauptgang gleich noch ein zweiter Wein zum Einsatz: Aus der raren Sorte Furmint kelterte Toni Hartl vom Jahrgang 2019 einen alles andere als gewöhnlichen Wein: Nach der Spontanvergärung für 13 Monate in der Ton-Amphore und im 600-Liter-Holzfass gereift, entsteht ein Wein mit exotischer Fruchtfülle im Duft von Ananas über Mango bis zu gerösteten Erdnüssen und Rosinen. Am Gaumen dann vollmundig und stoffig, ausgesprochen komplex mit gut eingebundenem Gerbstoff, herrlicher Fülle und langem Nachklang. Der Inhalt steht hier der aufwändigen Flasche um nichts nach.
Wachau grüßt Wagram
Unser nächster Wein ist eigentlich eine kleine Sensation, denn in der Wachau ist der Weinstil-Kodex doch nach wie vor recht eng gestrickt. Dennoch betritt Georg Högl mit seinem „Freigeist“ 2018 mutig Neuland. Dieser Frührote Veltliner (!) wurde spontan im Eichenfass vergoren, nach 60 Tagen Schalenkontakt abgepresst, elf Monate auf der Vollhefe belassen und anschließend unfiltriert abgefüllt. Im Duft eine schöne Kombination von reifen Trockenfrüchten und Gewürzaromen, Kreuzkümmel, Rauch, Zigarren, Zedernholz und Leder und dann am Gaumen exotische Noten von Maracuja und Zimt aber auch Apfelkompott. Tolle Präsenz, viel Druck, schöne Länge – absolut gelungen!
Unser „Drüberstreuer“, eine Ko-Produktion von Gregor Nimmervoll und Franz Leth beeindruckte uns schon einmal mit der edlen Flaschenaufmachung, doch der „Herr Greanz II“ (Gregor & Franz) hat auch im Glas was zu bieten: Großer Auftritt in der Nase mit Aromen von Orangenzesten über getrocknete Früchte und Malzkaffeee bis zu Szechuan-Pfeffer und dann am Gaumen Salzmandeln, Pumpernickel, mit viel Grip, zart adstringierend und lange anhaltend. Ein würdiger Abschluss für einen denkwürdigen Abend!