Zuerst Rekordtemperaturen bis in den September hinein, jetzt tagelange, massive Regenfälle. Der Weinjahrgang 2024 stellt die Winzer:innen des Landes vor besondere Herausforderungen. Die Reaktionen darauf sind unterschiedlich. Während die einen den Großteil der Trauben bereits vor dem großen Regen gelesen haben, warten die anderen noch zu. Wir haben uns umgehört, wie sich die aktuelle Situation in den verschiedenen Weinbaugebieten darstellt. Text: Klaus Egle
Katharina Tinnacher, Weingut Lackner-Tinnacher, Gamlitz, Steiermark:
Für die Lese der verbleibenden Weingärten haben wir das Problem, die Trauben bei den aufgeweichten Böden aus den Steilhängen zu bringen aber da arbeiten wir mit Seilwinden und mit einer neuen Kistenraupe, also einem Roboter, der heute eingetroffen ist.
Wir haben vor dem Regen bereits rund 85 Prozent aller Trauben gut in den Keller gebracht. Als Winzer:in musst Du Dich jedes Jahr auf die individuellen Gegebenheiten einstellen. Heuer war generell ein frühes Jahr, schon der Austrieb war sehr früh, Frostschäden gab es nur punktuell. Dann hatten wir im Juni und Juli gute Niederschläge, daher waren die Reben auch im trockenen August gut mit Wasser versorgt, hatten keinen Trockenstress und die Traubenreife entwickelte sich sehr schnell.
Mitte August habe ich gesehen, dass sowohl die Zuckerreife als auch die physiologische Reife schon so weit fortgeschritten waren, dass ich unsere Leser bereits für Anfang September mobilisiert habe. Ab 2. September haben wir dann mit 40 Leuten gelesen und die Trauben waren wunderschön, dann geht es auch sehr schnell dahin, und das motiviert natürlich noch mehr. Die Erträge sind mit 35 Hektoliter pro Hektar sehr gering, darum haben die Trauben auch eine tolle Konzentration, Reife und Aromatik; so aromatische Muskatellertrauben hatten wir seit Jahren nicht mehr.
Für die Lese der verbleibenden Weingärten haben wir das Problem, die Trauben bei den aufgeweichten Böden aus den Steilhängen zu bringen aber da arbeiten wir mit Seilwinden und mit einer neuen Kistenraupe, also einem Roboter, der heute eingetroffen ist. So nützen wir jetzt die trockenen Zeitfenster um die Lese zu einem guten Abschluss zu bringen.
Der Vorteil sind die niedrigen Temperaturen, da richtet die Feuchtigkeit keinen großen Schaden an, weil nicht gleich Fäulnis entsteht.
Georg und Josef Högl, Weingut Högl, Spitz, Wachau:
Bei uns lesen wir ja traditionell sehr spät, weil sich unsere Weingärten im Spitzer Graben in sehr kühlen Lagen befinden und die Traubenreife generell später eintritt als in anderen Weinbaugebieten. Wir haben vor dem großen Regen erst zwei Tage gelesen und warten jetzt einmal das Ende der Niederschläge ab, bis es weitergeht. Der Vorteil sind die niedrigen Temperaturen, da richtet die Feuchtigkeit keinen großen Schaden an, weil nicht gleich Fäulnis entsteht. Wir hatten ja im Spitzer Graben einen Spätfrost, daher sind die Erträge sehr gering, das Wenige, das auf den Stöcken hängt, sieht aber wirklich super aus. Durch die Hitze haben die Trauben eine dicke Beerenhaut entwickelt, darum macht ihnen das Regenwasser jetzt nicht viel aus. Jetzt warten wir, dass die Beeren, die ja sehr klein sind, durch die Wurzeln noch etwas Feuchtigkeit aufnehmen, dann kann das schon noch sehr gut werden. Wir kämpfen auf jeden Fall bis zum Schluss, das sind wir ja hier gewohnt.
Man wird den Jahrgang in „vor und nach dem Regen“ einteilen und das auch herauskosten können.
Gerhard Lobner, Weingut Mayer am Pfarrplatz, Wien:
Wir haben gut die Hälfte der Trauben bereits im Keller, das sind alle Burgundersorten, die klassischen Gemischten Sätze und die Grünen Veltliner. Bei den Gemischten Sätzen mit einem hohen Riesling-Anteil sind die Gradationen noch zu gering, weil der Riesling ganz einfach später reift. Bei den Grünen Veltliner-Trauben, die ein bisschen verrieselt sind und darum sehr lockerbeerig hängen, sehe ich für die weitere Lese kein Problem, bei den Rieslingen wird es etwas enger. Wir haben vor drei Wochen am Nussberg 70 Liter Niederschlag pro Quadratmeter gehabt, dadurch sind die Beeren größer aber auch da mache ich mir nicht die ganz großen Sorgen. Ich habe vor dreißig Jahren meinen ersten Riesling-Jahrgang gemacht, wenn ich da jetzt nervös werden würde, hätte ich wohl etwas falsch gemacht.
Wir haben nach dem ersten Teil der Lese klar Schiff gemacht, der Keller steht blitzsauber da wie vor der Lese und haben die Leute dann nach Hause geschickt. Wenn es jetzt mit der Lese weitergeht, wissen die, dass es jetzt rund um die Uhr geht. Und ich weiß, dass mein Team super drauf ist, da laufen die Zahnrädchen ineinander wie bei einer Schweizer Präzisionsuhr. Wir starten am Mittwoch mit einem Soft-Opening, bringen die Trauben mit Kübeln aus dem Weingarten und wenn es dann auftrocknet, geben wir Vollgas. Qualitativ bin ich durchaus optimistisch es wird kein großes und kein kleines aber sehr feines Jahr und man wird den Jahrgang in „vor und nach dem Regen“ einteilen und das auch herauskosten können.
Es war auf jeden Fall ein extremes Jahr, wir haben in einem Weingarten Grauburgunder mit 24 Grad KMW gelesen und das ohne Botrytis – so etwas gibt es nach Schulmeinung gar nicht.
Christoph Bauer, Weingut Christoph Bauer, Jetzelsdorf, Weinviertel:
Wir haben am 2. September mit der Lese begonnen und waren eigentlich schon fast zu spät dran, weil die Grünen Veltliner schon wieder zu süß waren. Es war uns aufgrund der frühen Blüte schon klar, dass es ein frühes Jahr wird, aber das Problem war dann die extreme Hitze und der Wind im August. Die ließen die Zuckergradation hinaufschnellen, so dass die Zuckerreife viel schneller erreicht war als die Aromenreife. Wir haben dann so schnell wie möglich gelesen und haben etwa 90 Prozent der Trauben im Keller, wobei die Ernte rund ein Drittel geringer ist als in einem Durchschnittsjahr. Die Lesebedingungen waren natürlich auch extrem, durch die Hitze.
Die Handlese begann mit dem ersten Tageslicht am Morgen, mittags machten wir eine mehrstündige Pause und am Abend ging es weiter. Aber auch in der Nacht sanken die Temperaturen nicht unter 20 Grad, da geht ohne Kühlung gar nichts, auch wenn man mit der Lesemaschine liest. Es war auf jeden Fall ein extremes Jahr, wir haben in einem Weingarten Grauburgunder mit 24 Grad KMW gelesen und das ohne Botrytis – so etwas gibt es nach Schulmeinung gar nicht. Dennoch haben die ersten Moste erstaunlich viel Säure und auch einen schönen pH-Wert aber die Alkoholwerte sind generell hoch – da wird uns irgendwann nichts anderes übrigbleiben als technisch Alkohol zu entziehen. Im Großen und Ganzen können wir aber mit dem Jahrgang zufrieden sein und die Rotweine werden sicher wieder top, das ist fix.
Die Blaufränkisch-Trauben sind vollkommen gesund und haben auch die Zuckerreife aber die physiologische Reife passt noch nicht. Die brauchen ganz einfach noch Zeit am Stock und da war der Regen jetzt gar nicht schlecht.
Silvia Heinrich, Weingut Silvia Heinrich, Deutschkreutz, Mittelburgenland:
Wir haben am 3. September mit den Pinot-Noir-Trauben die Lese begonnen, da waren wir noch sehr euphorisch aber dann kam der Regen, wir mussten unterbrechen und haben dann noch zwei Tage gelesen, bevor es richtig losging. Ich habe aber keinen Stress, denn die Blaufränkisch-Trauben sind vollkommen gesund und haben auch die Zuckerreife aber die physiologische Reife passt noch nicht. Die brauchen ganz einfach noch Zeit am Stock und da war der Regen jetzt gar nicht schlecht, weil die Trauben schon sehr ausgetrocknet waren und jetzt sicher noch mehr Saft bekommen.
Grundsätzlich waren wir mit allem heuer zu früh dran und das hat sich jetzt halt ein bisschen korrigiert, wobei die Niederschläge mit rund 100 Millimeter pro Quadratmeter jetzt nicht so außerordentlich waren. Wir lesen ja alles mit der Hand und jetzt brauchen wir dann noch mehr Leute, weil die Lese komprimierter ist. Da kann es dann natürlich mit der Verarbeitung im Keller schon eng werden, wenn alles auf einmal kommt. Aber was die Qualität angeht, bin ich sehr zuversichtlich, das kann noch ein ausgezeichneter Jahrgang werden.