Thomas im Johanneshof: Nachhaltigkeit ist auch die Aufgabe der Gäste

Thomas Reinisch hat das viele Jahre als Heurigen betriebene Lokal im bekannten Weingut Johanneshof Reinisch in Tattendorf in eine Kombination aus Wirtshaus und Fine-Dining-Restaurant umgewandelt. Neben dem hauseigenen Wein stammen im „Thomas im Johanneshof“ viele weitere Produkte aus eigener Erzeugung oder der nächsten Umgebung. Im Wirtshausführer-Interview lässt er mit der Idee aufhorchen, nur noch Kategorie-Begriffe wie „Fisch“ oder „Vorspeise Vegetarisch“ auf die Speisekarte zu schreiben und findet, dass der Beitrag des Gastes zum Nachhaltig Wirten oft unterschätzt wird. 

Interview: Klaus Egle, Fotos: Sylvie Bergmann/fotogarage.at

Dieses Interview ist Teil einer Serie zum Thema „Wirtshausführer Nachhaltig Wirten“. Es ist eine Kooperation von Wirtshausführer und METRO Österreich, das die Nachhaltigkeit als vorrangiges Unternehmensziel festgeschrieben hat. Gemeinsam stellen wir Wirte vor, die in vorbildlicher Weise Nachhaltigkeit täglich leben, in einer Branche, die mehr als andere im Blickfeld der Öffentlichkeit steht. So machen wir ihre nachhaltigen Initiativen sichtbar und nachvollziehbar.

Im imposanten Gewölbekeller des Johanneshof Reinisch treffe ich mit Christian und Johannes Reinisch langjährige Weggefährten; da darf ein Glas Sprudel als Aperitif nicht fehlen.

Klaus Egle: Eure Familie betreibt auch ein großes Weingut, zu dem viele Jahre ein Heuriger gehörte. Was war Deine Motivation daraus ein Restaurant zu machen?

Thomas Reinisch: Also mich hat das Kochen schon immer interessiert. Dann habe ich mich ein bisschen in der Gegend umgeschaut und festgestellt, dass wir sehr viele Heurigen haben aber nur sehr wenige Restaurants. Also habe ich entschieden, dass es ein Restaurant werden wird, das es jetzt seit drei Jahren gibt und ich denke das war eine gute Idee.

Klaus Egle: Was ist leichter zu bespielen, der Heurige oder das Restaurant?

Thomas Reinisch: Ein Restaurant ist schwieriger zu bespielen, weil beim Heurigen fokussiert sich alles auf die sechs mal zwei Wochen, in denen man ausgesteckt hat, da ist natürlich Vollgas angesagt aber wir haben dafür das ganze Jahr über geöffnet, das ist es viel schwerer zu planen. Speziell deshalb, weil viele Gäste nach wie vor ohne Voranmeldung einfach hereinschneien und sagen „wir sind jetzt da“ und natürlich auch etwas zum Essen wollen. Auf der anderen Seite sagen Gäste oft kurzfristig ab und das kann man auch nicht planen. Aber am schlimmsten ist es, wenn die Gäste reservieren und dann einfach nicht erscheinen, weil man ja einkauft und Personal einplant.

Klaus Egle: Ein wichtiges Produkt, nämlich der Wein, wird direkt im Haus produziert. Aber Du fährst insgesamt ein Konzept der kurzen Wege – wie kann man sich das konkret vorstellen? 

Thomas Reinisch: Mir ist es wichtig, dass ich einen möglichst großen Teil der Produkte die ich brauche, aus der Region beziehen kann. Zum Beispiel bekommen wir die Erdäpfel von einem Bauern ganz in der Nähe. Da haben wir einmal kurzfristig Nachschub benötigt und er hatte nichts lagernd. Da ist er aufs Feld rausgefahren und hat die Erdäpfel noch mit der Erde dran bei mir vorbeigebracht – wir haben sie dann gewaschen und direkt verarbeitet. So etwas ist natürlich toll. Wir produzieren aber auch einiges selber. So haben wir heuer ein Feld mit Kürbissen angebaut: Hokkaido, Butternuss, Muskat, Langer von Neapel und Spaghettikürbisse. Da hatten wir einen ziemlichen Ertrag…

Klaus Egle: … und musstet euch viele Kürbisgerichte einfallen lassen.

Thomas Reinisch: Ja das gefällt den Leuten auch – du baust den Kürbis selber an, schaust ihm beim Wachsen zu und holst ihn direkt vom Feld. Das nächste sind die eigenen Lämmer. Das sind Weingarten-Schafe die da draußen in den Weingärten herumlaufen und als „Rasenmäher“ für uns arbeiten.

Klaus Egle: Welche Produkte kommen außerdem bei euch vom eigenen Hof?

Thomas Reinisch: Wir haben zum Beispiel eine eigene Ecke mit Beerensträuchern wie Goldhimbeeren, Aroniabeeren oder Johannisbeeren – die eignen sich perfekt zum Dekorieren verschiedener Gerichte. Was wir auch haben, sind eigene Kräuterfässer die stehen da, wo man ins Restaurant hereingeht. Da pflanzen wir zum Beispiel Minze, die wir für die hausgemachten Limonaden für die Dekoration oder für den Hugo verwenden, aber auch Rosmarin, Liebstöckl, Lorbeer, Currykraut, Colakraut, Estragon, Koriander, Basilikum, Schnittlauch oder Kapuzinerkresse.

Klaus Egle: In eurer Einreichung zum „Nachhaltig Wirten Preis“ hast Du ein interessantes Konzept als Ziel skizziert – eine Speisekarte, die nur noch allgemeine Informationen zum Gericht gibt, wie zum Beispiel „Fisch“ oder „Vorspeise vegetarisch“. Welche Vorteile würde das bringen und wie realistisch ist die Umsetzung?

Wir könnten natürlich auch in der Küche wesentlich kreativer werden, wenn wir nicht an das gebunden sind, was auf der Speisekarte steht.

Thomas Reinisch

Thomas Reinisch: Der Vorteil wäre, dass man viel gezielter einkaufen kann und wir könnten natürlich auch in der Küche wesentlich kreativer werden, wenn wir nicht an das gebunden sind, was auf der Speisekarte steht. Ich glaube schon, dass es realistisch ist, aber es dauert noch ein bisschen. Wir machen es step by step, indem wir zum Beispiel bei den einzelnen Gerichten nicht mehr alle Komponenten auf die Karte schreiben, damit können wir uns ein Stück weit freispielen. Wir haben gerade ein Gericht auf der Karte, das heißt nur „Fisch“. Das ist dann ein Süßwasserfisch von der Fischzucht Oberwasser in Schwarzau am Gebirge aber welcher Fisch es ist, das hängt von der Verfügbarkeit ab.

Klaus Egle: A propos Verfügbarkeit: Die ist für euch ganz nach dem Prinzip der „Küche des Marktes“ ein wesentliches Element der Speisekarten-Gestaltung, oder?

Thomas Reinisch: Jetzt war gerade der Kürbis da, dann sind wieder junge Lämmer gekommen, das heißt, wir werden Anfang des neuen Jahres wieder eigene Lämmer haben. Ich bin selbst Jäger und wenn ich etwas schieße oder meine Jäger-Kollegen, dann kommt das natürlich in die Küche. Das geht oft ganz kurzfristig und wir bieten die Gerichte auf einer Kreidetafel im Restaurant an. 

Klaus Egle: Kann es umgekehrt auch einmal sein, dass es ein Gericht nicht gibt, weil ein Produkt nicht verfügbar ist?

Thomas Reinisch: Ja wir beziehen zum Beispiel Süßwassergarnelen aus dem Kremstal. Die hatten ein Problem mit der Produktion und jetzt brauchen Sie noch mindestens zwei Monate um das wieder aufzuholen. Solche Ausfälle können immer wieder passieren.

Klaus Egle: In solchen Situationen ist es gut, wenn man noch ein Back-up hat und da kommt METRO ins Spiel…

Thomas Reinisch: Ja das ist super, weil da muss ich mich nur ins Auto setzen und ich bekomme dort nicht nur das Produkt, sondern ich kriege es auch in einer Qualität, mit der ich etwas anfangen kann. Das ist mir eben auch wichtig und da geht es nicht nur um die Verfügbarkeit, sondern auch tatsächlich um die Qualität. Man kann ja nicht alles regional kaufen und da ist Metro für uns ein wichtiger Partner zum Beispiel im gesamten Nonfood- Bereich aber ebenso bei Trockenware oder Milchprodukten.

Klaus Egle: Wir werden eure Nachhaltigkeitsbestrebungen für den Gast sichtbar gemacht?

Thomas Reinisch: Für Gäste wird die Nachhaltigkeit im Restaurant schon beim Ankommen erlebbar: Sie gehen an den großen Kräuterfässern vorbei und vor dem Restaurant steht eine Kiste mit Kürbissen aus eigenem Anbau, die gegen freie Spende mitgenommen werden können. Auch die Lämmer, die im Weingarten gehalten werden, sind für Besucher sichtbar. Zusätzlich macht die Speisekarte transparent, woher die Produkte stammen: Neben Erdäpfeln, Fisch oder anderen Zutaten sind die jeweiligen Produzenten genannt. Gäste können diese Informationen nachlesen oder das Servicepersonal fragen.

Klaus Egle: Wie schafft man es, dass das Personal die Nachhaltigkeitsziele, die man definiert, mitträgt und auch dem Gast gegenüber kommuniziert?

Thomas Reinisch: Damit Nachhaltigkeit nicht nur sichtbar, sondern auch verständlich wird, spielt das Personal eine wesentliche Rolle. Die Mitarbeiter sind an den Produktionsprozessen interessiert und wissen genau, wie Gerichte entstehen. Beim Servieren erklären sie die Speisen und passen den Informationsumfang an die Situation und das Interesse des Gastes an. Manche Gäste möchten Details zur Herkunft und Zubereitung, andere wollen in Ruhe essen – das Team reagiert da flexibel.

Klaus Egle: Ergeben sich durch nachhaltiges Handeln auch wirtschaftliche Vorteile oder ist es nur mit Aufwand verbunden?

Thomas Reinisch: Neben der kommunikativen Ebene hat Nachhaltigkeit auch einen ökonomischen Aspekt. Ein Beispiel: Durch die Umstellung bei größeren Gruppen von Buffet auf vorausgewählte Menüs können wir Portionen exakt planen. Dadurch konnten wir die Menge an Lebensmittelabfällen um mehr als die Hälfte reduzieren. Buffets führten früher zu massiver Überproduktion, weil Gäste große Mengen sehen wollen, aber nicht alles konsumieren. 

Die Rolle der Gäste wird gerne unterschätzt: Wer frühzeitig reserviert oder rechtzeitig absagt, hilft dem Betrieb enorm bei der Planung. 

Thomas Reinisch

Klaus Egle: Was kann der Gast dazu beitragen, dass ihr möglichst nachhaltig wirtschaften könnt?

Thomas Reinisch: Die Rolle der Gäste wird gerne unterschätzt: Wer frühzeitig reserviert oder rechtzeitig absagt, hilft dem Betrieb enorm bei der Planung. Kurzfristige Absagen bedeuten finanzielle Verluste und unnötige Abfälle. Nachhaltigkeit ist daher nicht nur Aufgabe des Wirts, sondern auch der Gäste, die mit ihrem Verhalten wesentlich beitragen können.

Klaus Egle: Welche Nachhaltigkeits-Maßnahmen setzt ihr in punkto Warenwirtschaft und Abfallvermeidung?

Thomas Reinisch: In der Küche versuchen wir, Abfall generell zu reduzieren. Verpackungsmaterialien werden bewusst ausgewählt, wir verwenden wo es geht Großgebinde mit wenig Einwegplastik. Müll wird streng getrennt, damit er recycelt werden kann. Reste aus der Lebensmittelverarbeitung werden weiterverwendet, etwa Zwiebelschalen für Suppen oder Gemüseabschnitte, die an die Hühner eines Verwandten gehen. Das Altöl holt eine Firma ab und verarbeitet es zu Seife.

Klaus Egle: Wo lässt sich aus eurer Sicht beim Energieverbrauch noch etwas machen?

Thomas Reinisch: Wir haben eine Photovoltaikanlage, einen Batteriespeicher und eine eigene Kläranlage, das Sanitärwasser wird gereinigt und wieder für die Toilettenspülung verwendet. In der Küche achten wir darauf, stromintensive Geräte wie Induktionsfelder nur bei Bedarf einzuschalten. Bewegungsmelder im Kühlraum verhindern, dass das Licht unnötig brennt.

Klaus Egle: Was ist eure Nachhaltigkeits-Vision für das Jahr 2030?

Thomas Reinisch: Mein Traum ist es, noch stärker in Richtung eigener Landwirtschaft zu gehen. Das umfasst für mich auch die Haltung eigener Schweine, Rinder und Hühner, damit 

könnten wir tatsächlich „Farm-to-Table“ machen. Erste Schritte wie die Lämmer im Weingarten oder der eigene Kürbisanbau zeigen, dass diese Entwicklung bereits begonnen hat. Langfristig wünsche ich mir, dass wir große Teile unserer Lebensmittel selbst produzieren und dadurch Kreisläufe schließen können.