Weingut Neustifter: Zehn Jahre Grüner Veltliner Stockkultur

Eine Vertikalverkostung aller zehn bisher gekelterten Grünen Veltliner „Stockkultur“ am Weingut Neustifter in Poysdorf bewies eindrucksvoll, dass in der „Sekthauptstadt“ Österreichs auch große Weißweine gekeltert werden können. Die Geschichte des Grünen Veltliners „Stockkultur“ vom Weingut Neustifter in Poysdorf ist ein schönes Beispiel dafür, wie aus einer guten Idee, einem guten Produkt und gutem Marketing zuerst eine Marke und dann eine Legende wird. Dabei stand am Anfang Karl Neustifters Unzufriedenheit damit, dass die Weißweine aus dem Weinviertel praktisch nur jung getrunken wurden und damit keine echte Wertigkeit besaßen. Mit seinem Experiment wollte er beweisen, dass gerade aus der Leitsorte der Region, dem Grünen Veltliner, auch hochwertige und langlebige Weine entstehen können.

Bei der Stockkultur musst du alles genau zum richtigen Zeitpunkt machen, sonst funktioniert das nicht mehr.

Monika Neustifter, Winzerin

Die Ried Steinberg ist nicht einfach eine Riede

Das Mittel der Wahl war ein Weingarten, der im Jahr 2007 in der traditionellen Erziehungsform der Stockkultur ausgepflanzt wurde. Im Gegensatz zur vom österreichischen Weinbaupionier Lenz Moser III. entwickelten Hochkultur, die eine maschinelle Bearbeitung der Weingärten ermöglicht, muss bei der Stockkultur jeder Bearbeitungsschritt händisch durchgeführt werden, was in etwa den vierfachen Arbeitsaufwand bedeutet, und: „Bei der Stockkultur musst du alles genau zum richtigen Zeitpunkt machen, sonst funktioniert das nicht mehr“, erklärt Winzerin und Tochter Monika Neustifter das ganz besondere „Naheverhältnis“ das sie und ihr Vater zu ihren Stockkultur-Reben in der Ried Steinberg – nomen est omen – entwickelt haben. Die extrem dicht gepflanzten Rebstöcke erwidern die Zuwendung, die ihnen zu Teil wird und bringen bei niedrigen Erträgen und mit einem tief reichenden Wurzelsystem sehr aromatische Trauben, aus denen tiefgründige und komplexe Weine mit großem Reifepotenzial entstehen.

Bei der Stockkultur werden die Rebstöcke im Winter komplett zurückgeschnitten. Im Frühjahr treiben sie dann an vielen Stellen gleichzeitig aus. Diese Triebe müssen drastisch reduziert und am Stock festgebunden werden, der als Rankhilfe dient. Versäumt man dafür den richtigen Zeitpunkt, lassen sie sich nicht mehr „einfangen“.
„Ein Stockkultur-Weingarten bedeutet ungefähr viermal so viel Arbeitsaufwand wie ein Hochkultur-Weingarten“, erklärt Winzer Karl Neustifter. „Doch der Aufwand lohnt sich auch, denn wir bekommen von unseren Rebstöcken perfekte Trauben für komplexe, aromatische und tiefgründige Weine, die für eine lange Flaschenreife geschaffen sind“.

Ein Feiertagswein

Im Keller wird der Wein ganz traditionell im Holzfass und teilweise auf der Maische vergoren und reift anschließend für 12 Monate in Eichenholzfässern auf der Hefe. Was dabei herauskommt, ist ein Wein mit burgundischen Qualitäten, extraktreich und mit großer Fülle aber niemals ermüdend, voll Spannung aber auch mit einem geradezu besorgniserregenden Trinkfluss. Besorgnis auch deshalb, weil von dem edlen Tropfen pro Jahrgang maximal 3.000 Flaschen in schwere Burgunderflaschen gefüllt und mit einem Kellerkatzenmotiv etikettiert werden, das alljährlich von einem anderen Künstler:in gestaltet wird. Der Preis erscheint mit 96 Euro pro Flasche hoch, der Gegenwert, den man dafür bekommt, rechtfertigt ihn aber allemal. Und: Der Grüne Veltliner „Stockkultur“ ist ein echter Feiertagswein, gedacht für besondere Momente und besonderen Genuss.

Alle Proben wurden aus der MAGNUM-Flasche serviert – wenn schon, denn schon!
Die Stockkultur-Weine brauchen viel Luft – dafür ist das Zalto-Burgunderglas perfekt.

Das Kellerkatzen-Design für den aktuellen Jahrgang 2020 stammt vom leider bereits verstorbenen tschechischen Künstler Emanuel Ranný. Sein gleichnamiger Sohn, der Geiger und Weinliebhaber Emanuel Ranný junior, hier mit Monika und Karl Neustifter im Stockkultur-Weingarten der Ried Steinberg, war bei der Verkostung dabei und von der hohen Qualität der Weine begeistert.

Die Verkostung in Notizen und Bewertungen (20-Punkte-Schema)

19 Grüner Veltliner Stockkultur 2020 (ab sofort erhältlich)

Rauchig und kühl mit feiner Würze in der Nase, exotische Früchte wie Ananas, Mango, Mandarine und Litschi, zarte Fruchtsüße und frische Zitrustöne in der Nase, dazu feine nussige Anklänge. Am Gaumen saftig und vollmundig aber auch straff und kompakt, viel Druck, ausgewogen, harmonisch mit toller Länge. Bereits jetzt, zu seinem Marktstart, ein großes Trinkvergnügen. 

18 Grüner Veltliner Stockkultur 2019

Zarte, feine Nussaromen, anfangs noch sehr verhalten im Glas, kein Wunder, bei der Power. Dann Stachelbeeren, Nüsse, reife, gelbe Äpfel in der Nase. Am Gaumen ein aparter Mix von saftiger Fruchtsüße und dezenten Bittertönen, opulent, stoffig und vollmundig, weich und mit viel Schmelz, dicht und lang. Ein opulenter, geradezu bombastischer Wein, nicht primär Speisenbegleiter sondern ein Solitär, der ganz für sich allein stehen kann. 

18,5 Grüner Veltliner Stockkultur 2018

Rauchig-röstige Aromen in der Nase, Kaffeenote, Aromen von Dry-Aged Beet bis Honigmelone mit dunkler Würze. Am Gaumen stoffig mit kräftiger Bitternote, straffe Struktur, dicht und kraftvoll aber auch mit Finesse. Noch sehr jugendlich aber mit großem Potenzial.

19,5 Grüner Veltliner Stockkultur 2017

Feine Würze, gelbfruchtig, reife Obstnoten von Orangen und gelben Äpfeln, mit zarten Anklängen von Vanille, Haselnuss und Weißbrot, auch Blütenhonig ist dabei – viel Finesse in der Nase. Am Gaumen sehr präsent, würzig, saftig, straff und mineralisch, dichter Fruchtkörper, reife Säure, viel Druck, große Spannung, dicht und lang. Eine große Persönlichkeit im Glas.

19 Grüner Veltliner Stockkultur 2016

Im Duft Walnuss, Orangenzesten, etwas Lebkuchengewürz, Apfelkompott, Szechuan-Pfeffer, Schokolade, Mandarine und Yuzu – reife aber frische Zitrusnote. Am Gaumen reif und saftig mit kräftigen Bittertönen, stoffig mit reifer Säure, sehr kompakt. Ein Wein wie aus einem Guss, der noch lange Freude machen wird.

18,5 Grüner Veltliner Stockkultur 2015

Burgundische Note im Duft, Nüsse, Brioche, reife Zitrustöne, viel Druck, zart rauchig mit dezenten Kaffee- und Röstaromen. Am Gaumen mundfüllend und stoffig aber sehr straff mit ganz zartem Gerbstoff, der ihm zusätzliche Struktur verleiht, jugendlich frisch und mit viel Druck bis hin zum langen Abgang. Jetzt schon sehr gut, wird aber sicher noch zulegen.

17,5 Grüner Veltliner Stockkultur 2014

Fast schon überreife Apfelfrucht, feinwürzig, zart, rauchig, gelbfruchtig, Aromen von Tabak und Pfeffer, Rösttöne, Blütenhonig, zart-herb gute Struktur, toller Trinkfluss. Ein exzellenter Vertreter aus einem ganz schwierigen Jahrgang

18,5 Grüner Veltliner Stockkultur 2013

Reif, sehr burgundisch, fleischig, zart rauchig, intensiver Duft ohne jede Oxidation, Honignoten. Am Gaumen straff, kühl, würzig, saftig, mit viel Schmelz, harmonisch mit kräftiger aber reifer, perfekt eingebundener Säure, die ihn trotz seiner Power leichtfüßig über den Gaumen gehen lässt. 

18 Grüner Veltliner Stockkultur 2012

Reif, gelbfruchtig, fruchtsüß, intensiver Duft, rauchig, vollmundig und stoffig, warm, opulent und großzügig, ein Barockengerl unter den Weinen, Specknoten, dabei aber durchaus kräftiger Gerbstoff und gute Struktur. Ein Wein, den man ohne weiteres statt Rotwein als Speisenbegleiter einsetzen kann. 

19 Grüner Veltliner Stockkultur 2011

Voll und stoffig, perfekt eingebundenes Holz, sehr schön gereift, Rauch- und Röstaromen, Karamell, Honig, Toastbrot, vollmundig, gute Struktur, viel Druck, sehr langer Nachklang. Perfekt gereift und jetzt wunderschön zu trinken.

19 Grüner Veltliner Stockkultur 2010

Dunkle Würze, Kaffee, Selchtöne, Speck, sehr intensiver Duft, feingliedrig und elegant, saftig, viel Grip, tolle Präsenz – super zu trinken aber immer noch mit Zukunftspotenzial. 

Praktisch alle Jahrgänge des Grünen Veltliner Stockkultur sind im Online Shop oder am Weingut noch erhältlich – auf Anfrage teilweise auch in MAGNUMS und noch größeren Formaten.