Weingut Gross: Unsere Weine müssen die Menschen mitreißen

Gross-Weine schmecken heute ganz anders als vor zehn Jahren und die Betriebsstruktur des Weinguts wurde komplett neu aufgesetzt. Wir waren für ein Update im Weingut Gross am Ratscher Nussberg.

Text: Klaus Egle, Fotos Elisabeth Egle

Aufgebaut wurde das Weingut aus bescheidenen Anfängen über drei Jahrzehnte von Alois Gross. Aus einem kleinen Betrieb mit Buschenschank und fünf Standorten für Produktion und Weinlagerung entstand in zwei Etappen am Ratscher Nussberg eine State-of-the-art-Kellerei, die zugleich auch Wohnsitz für zwei Familien bietet. Geleitet wird das Weingut Gross heute von Johannes und seiner Frau Martina Gross, während Johannes’ Bruder Michael gemeinsam mit seiner Frau Maria das Weingut Vino Gross in der slowenischen Steiermark in Gorca nahe Ptuj leitet. Als gemeinsames Projekt wird Gross & Gross geführt, das die zwei Weißweine „Mitzi“ (Muskateller) und Jakobi (Sauvignon Blanc) produziert. Und was macht jetzt eigentlich Alois Gross? „Alles, was wir nicht machen wollen“, lachen die Söhne aber so ganz ernst meinen sie das nicht.

Klaus Egle: Wenn man die Gross-Weine heute kostet, dann bemerkt man, dass sie ganz anders schmecken, als vor zehn oder fünfzehn Jahren. Woran liegt das?

Johannes Gross: Kurz gesagt: Die Frucht steht nicht mehr im Vordergrund, da gibt es einen klaren Doktrin-Wechsel. Früher war der Einsatz von Technik so wichtig, weil man damit die Qualität der Weine heben konnte. Heute sehen wir das anders; wir können das zwar, haben Erfahrung und Ausbildung – aber machen oft gar nichts, weil es nichts bringt. Ein Beispiel: Früher wurden die Trauben, wenn sie hereingekommen sind, routinemäßig geschwefelt – mehr oder weniger. Heute haben wir Chargen, wo die Trauben gar nicht geschwefelt werden. Was wir hier machen, ist „Hands off winemaking“.

Was wir hier machen, ist „Hands off winemaking“.

Alois Gross: Es ging am Anfang um Sauberkeit und Reintönigkeit, wenn du das hattest, warst du gleich kilometerweit vorn, da ging es noch gar nicht um Struktur. Dann hat man gemerkt, dass einzelne Flecken bessere Weine bringen und begonnen, differenziert zu ernten und auch anders auszubauen – das war der Beginn des Lagen-Gedankens. Hier sind wir immer mehr an die Grenzen gegangen – was wichtig ist, auch um Sackgassen zu erkennen. Wir haben auf die Weingärten geschaut, die Erträge reduziert, Botrytis vermieden. Das war anfangs der richtige Weg aber mit dem Klimawandel hatten wir plötzlich Weine, die 15 Prozent Alkohol erreichten und haben erkannt, dass es so nicht weitergehen kann.

Also haben wir begonnen, Dinge zurückzunehmen. Der Verzicht auf Stickstoffdünger etwa reduzierte die Erträge nach drei, vier Jahren um rund ein Drittel. Außerdem haben wir die  Laubwand reduziert, auf Herbizide und Pestizide verzichtet und Vieles mehr. Das hat auch die Inhaltsstoffe der Trauben verändert.

Klaus Egle: Die Trauben machen also bereits einen Unterschied?

Johannes Gross: Ja, die Trauben haben eine gleichmäßigere Reife. Die Rebstöcke sind jetzt 30, 40 Jahre alt und älter, das bringt eine ganz andere Qualität. Wir können heute sagen, die besten Weingärten, die wir haben, sind die, die der Vater ausgepflanzt hat, weil das war ja das erste Mal, dass man das bewusst gemacht hat und überlegt hat, was man wo hinsetzt.

Alois Gross: Es hat sich dann natürlich gezeigt, was qualitativ und an Struktur und Tiefe noch möglich war, so ab dem Jahrgang 2008, wo die Jungen stärker eingegriffen haben. Früher haben wir durch mehrere Erntedurchgänge eine Qualitätssteigerung erzielt. dadurch, dass die Trauben immer früher reif werden, ist das gar nicht möglich. Wir haben das voll ausgereizt, bis die Trauben manchmal gekippt sind. Die Jungen haben das viel präziser gemacht, haben alles in kleine Chargen geteilt um noch bessere Qualitäten komponieren zu können.

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Klaus Egle: Wo entsteht denn nun ein großer Wein – im Weingarten oder im Keller?

Johannes Gross: Die Weingartenarbeit hat sich dahin verlagert, dass die Früchte besser werden aber dass großer Wein im Weingarten wächst, stimmt nicht ganz, gemacht wird er im Keller.

Wichtig ist die Person, die den Wein macht.

Alois Gross: Wichtig ist schon auch die Person, die den Wein macht – die Technik ist ja überall dieselbe.

Klaus Egle: Es gibt aber auch externe Einflussfaktoren, die man nur wenig oder gar nicht beeinflussen kann, die sich aber ebenfalls auswirken – das Klima wurde ja schon angesprochen. Hitze aber auch Wassermangel sind sicher in Zukunft ein Thema…

Johannes Gross: Hohe Reife kann auch ein Problem werden… mehr Ertrag geht nur, wenn du eine Tröpfchenbewässerung hast. Das können wir nicht, bei einer Bewässerung müssten wir auf Ressourcen zurückgegriffen, die wir eigentlich gar nicht haben. Das Problem ist der Raubbau an Humus, früher war der Boden ein Schwamm, heute ist er ein Betonklotz, der nichts aufnimmt, der Boden leitet das Wasser sofort ab, dann ist es weg.

Klaus Egle: Nochmals zurück zum Anfang: Wie könnte man den Stil der Gross-Weine heute und eure Herangehensweise beschreiben?

Johannes Gross: Wir arbeiten in den Details und nicht in der großen Oberfläche. Wir wollen auch nicht alles ändern, sondern in dem, was wir machen, präziser werden. Darum gibt es bei uns sehr wohl längere Maischestandzeiten aber zum Beispiel keine Orange-Weine, weil das nicht unsere Identität ist. Unser Ziel ist es, den Stil für den wir stehen, Weine die nicht laut sind, dafür aber Finesse und Langlebigkeit haben, mehr zu betonen und leichter nachvollziehbar zu machen. Für uns ist es auch wichtig, unserer Stilistik immer treu bleiben – auf hohem Niveau und über die Jahrgänge.

Wir haben beschlossen, den Betrieb zu verkleinern.

Klaus Egle: Das Weingut Gross ist wie die anderen Leitbetriebe in der Steiermark über Jahre schnell gewachsen. Wie sieht hier eure Zukunft aus?

Johannes Gross: Wir wollen keine Gehetzten sein sondern uns in einem Umfeld bewegen, in dem wir und alle Beteiligten sich wohlfühlen. Darum haben wir beschlossen, den Betrieb zu verkleinern. Statt bisher 280.000 bis 320.000 Flaschen nur noch 180.000 bis 220.000, diese Größe passt perfekt zu unserem Betrieb. Wir haben begonnen, Pachtflächen zurückzugeben und wollen ca. 35 Hektar haben und unsere Arbeit gemeinsam mit einem Team von hochmotivierten Mitarbeitern machen. Dabei spielt auch eine Rolle, dass es auch noch Gross & Gross gibt, die Kooperation mit meinem Bruder, wo zwei eigene Weine entstehen.

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Klaus Egle: Die Hierarchie der steirischen Weine hat sich ja mit der Einführung der DAC stark verändert. Wie wirkt sich das bei euch im Betrieb aus? 

Johannes Gross: Manche Basisweine lassen wir und andere bewusst weg – das lässt Raum für andere Produzenten, die das machen. Und im Top-Segment fächern wir mehr auf, also gibt es zum Beispiel mehrere Weine von einzelnen Parzellen am Nussberg. Dazwischen liegen die Ortsweine und das ist das eigentlich Neue: Sie stehen dafür, welchen Weg wir gehen wollen. Die Auseinandersetzung mit der Frage, was einen südsteirischen Wein eigentlich ausmacht. Nur die Herkünfte garantieren die Zukunft – sonst wandert der Konsument dorthin ab, wo er den Wein billiger bekommt.

Klaus Egle: A propos Konsument: Ist das neue Herkunftssystem für den Weinkunden bereits nachvollziehbar?

Johannes Gross: Wir müssen erklären, dass es nicht den Sauvignon Blanc in der Südsteiermark gibt… der tiefste Rebstock steht bei rund 280 Metern, die höchsten bei 700 Metern, die Böden von Urgestein bis hin zu Sand, Opok, Schiefer, Muschelkalk… es gibt darum keinen einheitlichen Stil. Darauf basiert die Idee, auf die Ortsweine zurückzugehen, wo wir sagen können, das ist der Ratscher, Gamlitzer oder Ehrenhausener.

Dabei macht nicht nur das Terroir eine Herkunft aus – auch eine Gemeinde teilt eine Ansicht, wie ein Wein zu sein hat. Wir müssen uns bewusst sein, was die Klammer ist, dann kommt es auch irgendwann bei den Kunden an.

Klaus Egle: Nach einer Querschnittsverkostung durch eure Weine ist mein Eindruck, dass diese strukturiert, mineralisch und komplex sind, mit viel Tiefe aber darum in ihrer Jugend auch nicht so „offenherzig“ und trinkfreudig.

Wir versuchen, so wenig wie möglich einzugreifen.

Johannes Gross: Wir versuchen, so wenig wie möglich einzugreifen und den Wein entscheiden zu lassen, wo es hingeht. So entstehen vielschichtige Weine mit Charakter. Wir können in unserem Gebiet keine belanglosen Weine machen – sie müssen die Menschen mitreißen, müssen aber nicht jedem von Anfang an schmecken. Wir wollen die abholen, die das gern mögen.

Klaus Egle: Und ist die Versuchung nicht manchmal da, gefälligere, zugänglichere Weine zu machen?

Johannes Gross: Das wird uns sogar manchmal nahegelegt aber da sage ich: Gross-Weine gibt es nur so!

Reparatur Bier und Aperitif nach getaner Weinverkostung bei Gregor Wratschko im Hisa Denk in Zgornja Kungota, gleich über der Grenze.