Toni Mörwald: Kochen ist Beziehungsmanagement

50 Jahre Gasthaus Zur Traube in Feuersbrunn, 50 Jahre METRO in Österreich, 50 Jahre Partnerschaft. Zeit für ein großes Roundup mit Österreichs wohl bekanntestem Gastronomen. Toni Mörwald im großen Wirtshausführer-Interview über die Nachhaltigkeit von Geschäftsbeziehungen, seine Anfangszeit in Feuersbrunn vor mehr als drei Jahrzehnten mit seinem „Gourmetstüberl“, warum im Leben alles ein Kreislauf ist und wieso es ihm trotz höchster Auszeichnungen mit Sternen und Hauben wichtig ist, dass man in der Traube eines der besten Wiener Schnitzel des Landes essen kann

Interview: Klaus Egle, Fotos: Elisabeth Egle

Diese Interview-Serie zum Thema „Nachhaltig Wirten“ ist eine Kooperation von Wirtshausführer und METRO Österreich, das die Nachhaltigkeit als vorrangiges Unternehmensziel festgeschrieben hat. Gemeinsam stellen wir Wirte vor, die in vorbildlicher Weise Nachhaltigkeit täglich leben, in einer Branche, die mehr als andere im Blickfeld der Öffentlichkeit steht. So machen wir ihre nachhaltigen Initiativen sicht- und nachvollziehbar.

Heute glaubt man, man muss diese Normalität neu erfinden, dabei gab es sie schon immer.  

Klaus Egle: Herr Mörwald, Sie feiern heuer 50 Jahre Mörwald Gastwirtschaft, seit 32 Jahren führen Sie selbst den Betrieb und Sie haben einen besonderen Bezug zu METRO. Wie kam es dazu?
Toni Mörwald: Wir haben ja heuer ein gemeinsames Jubiläum – unser Gasthaus „Zur Traube“, das ursprünglich „Zur Weintraube“ hieß und METRO Österreich sind beide 50 Jahre alt. 1971 haben meine Eltern, die eine Landwirtschaft und Weinbau betrieben haben, das Gasthaus von einer Tante übernommen – und waren damit auch Wirtsleute. Jeden Dienstag Nachmittag fuhr dann die ganze Familie zum METRO in Vösendorf einkaufen. Für uns Kinder war es das Highlight der Woche. Die Eltern kauften unten ein und wir, weil wir ja ohne Ausweis gar nicht ins Geschäft durften, saßen oben auf der Galerie im SB-Restaurant, haben uns ein Fanta rausgedrückt und zugeschaut. Aus heutiger Sicht klingt das vielleicht komisch, aber 1971 war ein SB-Restaurant eine Sensation. 

Klaus Egle: Hat das Aufwachsen auf einem Bauernhof Ihre Einstellung zu regionalen Produkten mitgeprägt?
Toni Mörwald: Natürlich, das war für uns die normalste Sache der Welt und wir haben auch sonst nichts gekannt. Wir hatten unsere eigenen Schweine, Hendln und Kälber, Rinder, Pferde, Gemüse, Obst, Wein, Getreide oder Zuckerrüben. Das hat sich alles gedreht und bewegt und gelebt – sogar die Blumen für den Tischschmuck im Lokal kamen aus dem Hausgartl vor dem Wirtshaus. Als Kinder sind wir eigentlich in einem Paradies aufgewachsen und das war für uns die Normalität. Heute glaubt man, man muss diese Normalität neu erfinden, dabei gab es sie schon immer.  

Vlnr.: Toni Mörwald im Gespräch mit Wirtshausführer-Herausgeber Klaus Egle.

Qualität, Tempo und Preis – das ergibt insgesamt ein Geschäftsmodell, das spannend ist. 

Klaus Egle: Wie sind Sie eigentlich damals zum Reinhard Gerer ins Korso gekommen?
Toni Mörwald: Ich habe das Leben in unserem Gasthaus in den 70er Jahren voll mitbekommen, habe in der Gaststube meine Hausaufgaben gemacht, bin Traktor gefahren, habe Obst geerntet aber auch im Wirtshaus mitgeholfen und bin dann in die Tourismusfachschule gegangen. Alles, was ich dort gelernt habe, durfte ich zu Hause gleich umsetzen, da waren meine Eltern sehr freizügig, sie haben mich alles probieren lassen. Das schätzte ich sehr an ihnen und das hat mir natürlich Freude gemacht und mich motiviert, mehr daraus zu machen. Damals war Reinhard Gerer der Stern am Wiener Gourmethimmel. Im Korso werkte eine Riesenbrigade von 72 Leuten mit Service-Einheiten zu Mittag, am Abend und nach der Oper ­– insgesamt mehr als 200 Couverts pro Tag. Das Korso war auch das politische Wohnzimmer von Wien, Politiker, Wirtschaftstreibende, Banker – alle gingen dort hin zum Essen. Da hat sich schon was bewegt und es gab auch ein Pricing, mit dem man etwas verdienen konnte. Da habe ich gelernt: Qualität, Tempo und Preis – das ergibt insgesamt ein Geschäftsmodell, das spannend ist. 

Ein Küchenchef darf sich auch nicht auf wenige Produkte einschränken.
Der Warenkorb ist groß, die Welt dreht sich weiter und man muss sich immer wieder umschauen,
was das beste Produkt ist. 

Klaus Egle: Als Sie in Feuersbrunn gestartet sind, waren internationale Edelprodukte vom Hummer bis zur Gänseleber unverzichtbar für die große Küche. Dann kam irgendwann die große Trendwende hin zu den regionalen Produkten. In Ihrem Haus gibt es beides. Wie geht das zusammen?
Toni Mörwald: Wir hatten das Wirtshaus und ich habe mir daneben mein erstes Gourmet-Stüberl mit 20 Plätzen eingerichtet, quasi ein Restaurant im Restaurant. Einerseits gab es eine gute Wirtshausküche mit geschmortem Wildschweinbraten & Co., andererseits habe ich das gekocht, was ich bei Gerer und meinen weiteren Stationen wie Alfons Schuhbeck in Bayern oder Alain Ducasse in Monaco gesehen und gelernt hatte. Ich wusste aber, wo ich herkomme und für mich war die klassische österreichische Küche mit den regionalen Produkten immer die Basis. Aber ein Küchenchef darf sich auch nicht auf wenige Produkte einschränken. Der Warenkorb ist groß, die Welt dreht sich weiter und man muss sich immer wieder umschauen, was das beste Produkt ist. Das gibt es auf regionaler Ebene ebenso wie auf internationaler – schließlich will ich meinen Gästen ja auch immer Abwechslung bieten.

Ob regionale oder internationale Küche – es werden bei uns immer erstklassige Produkte verwendet. 

Klaus Egle: Also dürfen auch Luxus-Produkte sein?
Toni Mörwald: Ja, denn wenn wir über Hummer, Caviar oder Gänseleber reden, dann geht es ja nicht um Völlerei, sondern darum, dass man sich einmal etwas besonders gönnen und sich eine Kleinigkeit davon abschneiden und das probieren will. Das ist nichts Böses und es gehört meiner Meinung nach zu einem Gesamtkonzept einfach dazu. Wichtig ist: Ob regionale oder internationale Küche – es werden bei uns immer erstklassige Produkte verwendet. Mir ist es darum auch besonders wichtig, sagen zu können: Bei mir gibt es eines der besten Wiener Schnitzel des Landes mit einem erstklassigen Erdäpfelsalat. 

Bio, Regionalität, Nachhaltigkeit – das sind Konzepte, die man gesamtheitlich sehen und auch leben muss. 

Klaus Egle: Sie sind bekannt dafür, regionale Produkte nicht zur zu verwenden, sondern die Produzenten auch zu fördern und auf den Schild zu heben. Ein absolut nachhaltiger Ansatz!
Toni Mörwald: Was ist Nachhaltigkeit? Das Wort wird heute sehr oft gebraucht. Ich denke, wenn man im Kreislauf ökonomisch und ökologisch denkt und lebt, dann ergibt sich die Nachhaltigkeit praktisch automatisch – so dass sich die Umwelt, die Natur und die Menschen wohlfühlen.
Viele Bauern und Produzenten, von denen wir Produkte beziehen, sind ja mit uns gewachsen. Manche haben ein Geschäft daraus gemacht, manche sind klein geblieben, andere groß geworden. Ich kann mich noch erinnern, wie der Käsemacher Robert Paget mit seiner französischen Frau das erste Mal zum Abendessen gekommen ist und die haben dann wieder Freunde mitgebracht und das war damals eine bewusste Entscheidung, zu kommen und zum Küchenchef zu sagen: Ich esse heute das zwölfgängige Menü – und das in der Kleinen Zeile in Feuersbrunn am Wagram. Das war eine Sache der Haltung und der Kultur, wie es sie früher am Land nicht gab. Da hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten wirklich sehr viel getan. 

Klaus Egle: Regional oder Bio. Was ist für Sie wichtiger? Oder braucht es beides?
Toni Mörwald: Bio, Regionalität, Nachhaltigkeit – das sind Konzepte, die man gesamtheitlich sehen und auch leben muss. Wenn jemand im Weinbau den Ansatz hat, als Basis seinen Boden gesund zu halten, dann finde ich das super. Aber wenn der dann seinen Wein nur in die schwersten Flaschen füllt und ausschließlich exportiert, dann stellt das für mich das Bio-Konzept auch wieder in Frage. Es ist für mich immer der gesamte Betriebskreislauf zu betrachten – aber dafür braucht es nicht unbedingt eine Bio-Zertifizierung. Wir sagen: Kochen ist Beziehungsmanagement.
Darum ist es uns so wichtig, einen guten Draht zu unseren Lieferanten zu haben. Wir kaufen keine anonymen Lebensmittel, sondern kennen immer die Personen und die Umstände, unter denen die Lebensmittel produziert werden. Darüber verschaffen wir uns einen Überblick und wenn das passt, arbeiten wir zusammen; aber dafür brauche ich niemanden von außen, der mir das erklärt. 

Unsere Küchenchefs wissen alle, dass wir von METRO überzeugt sind.

Klaus Egle: In einer Ehe gibt es aber auch nicht immer nur Harmonie, oder?
Toni Mörwald: Natürlich gab es auch Höhen und Tiefen wie überall. Aber unsere Küchenchefs wissen alle, dass wir von METRO überzeugt sind, dass METRO ein langjähriger und absolut zuverlässiger Partner ist. Ich kenne METRO ja von Anfang an und habe erlebt, wie die sich zu einem unglaublich service-orientierten Betrieb entwickelt haben. Früher ist man ins METRO hingefahren. Ich war dann der erste, der auf Lieferservice umgestellt hat – ich wollte meine Zeit in den Betrieb investieren und nicht in den Einkauf. Da hat METRO alle Hebel in Bewegung gesetzt und gesagt: „Wir müssen das schaffen, dass wir den Herrn Mörwald auch beliefern!“ Das war schon ein großer Schritt, denn METRO war eigentlich der Erfinder des Cash & Carry-Prinzips, das muss man sagen. Tatsächlich war METRO der erste Supermarkt für Großverbraucher. Ich bin ja gut bekannt mit einem der METRO-Mitbegründer, Hans-Dieter Cleven und der hat mir einmal gesagt: „Wir wollten mit dieser Idee, hier Ware, hier Cash, nicht weniger als die Welt verändern.“ Und genau das ist ihnen auch gelungen. Das kann man durchaus vergleichen mit der Revolution, die viel später Amazon ausgelöst hat. 

Klaus Egle: METRO Österreich hat zuletzt im Bereich der Bio-Produkte stark aufgerüstet. Welche Produkte beziehen Sie gerne von METRO?
Toni Mörwald: METRO war immer unglaublich innovativ, hat sich im Fischbereich aber auch im Gesamtsortiment wahnsinnig gut entwickelt, hat immer wirklich tolle regionale und saisonale Angebote und ist auch mitbestimmend für die Speisekarte, weil sie immer wieder mit neuen Ideen, Einflüssen und Produkten kommen. Das ist auch für uns wichtig, weil wir ja nicht nur regionale Gäste haben sondern etwa ein Drittel regionale, ein Drittel nationale und ein Drittel internationale Gäste. Letztere schätzen regionale Küche und Produkte aber die lokale Klientel will auch einmal Sushi auf dem Teller haben. Darum muss man sich auch persönlich immer eine Tür offenlassen und überlegen: Wo kann ich mich noch hin entwickeln? 

Kontinuität ist wichtig, denn sie erzeugt Qualität – und das ist auch Nachhaltigkeit.

Klaus Egle: Ein Jubiläum ist ein guter Anlass für die Frage: Muss man sich ständig neu erfinden um nachhaltig auf dem Markt bestehen zu können?
Toni Mörwald: Ich würde sagen: Man muss Dinge zulassen. Wir geben immer neuen Mitarbeitern, neuen Produzenten, neuen Lieferanten, neuen Partnern die Möglichkeit, es zu probieren. Wir geben ihnen eine Plattform, eine Bühne und dann sieht man eh schnell, ob man zusammenpasst und gemeinsam etwas zu entwickeln. Sich nicht zu verschließen, sondern zu öffnen hat schon allein mit den Öffnungszeiten zu tun. Wenn ich so wie die Gastronomie in der Wachau das halbe Jahr zu habe, dann wird es schwierig, gute Gäste zu bekommen, aber vor allem auch gute Mitarbeiter. Bekomme ich nur das Personal, das am Markt überbleibt, dann kann ich mit diesen Leuten keine Spitzenleistungen erbringen. 

Klaus Egle: Also ist die ganzjährige Öffnung auch ein Qualitätsmerkmal?
Toni Mörwald: Wenn ich nur dann aufsperre, wenn was los ist – zum Beispiel, weil am Wochenende das Wetter gut ist – dann ist das kein Geschäftsmodell, sondern ein Zufallsprinzip. Kontinuität ist wichtig, denn sie erzeugt Qualität – und das ist auch Nachhaltigkeit.

Erlebnisse und Emotionen, das wollen wir den Leuten auf den Weg mitgeben.

Klaus Egle: Sie haben immer wieder neue Projekte in der Pipeline, zuletzt war es die Gründung einer Markthalle in Feuersbrunn. Was darf man sich für die Zukunft von Toni M. erwarten?
Toni Mörwald: Ganz klar: Weiter die Hotel-Kapazitäten ausbauen um die Verweildauer unserer Gäste zu erhöhen und die Wertschöpfung zu verbessern. Unsere Gäste kommen vielleicht zunächst wegen der Landschaft, wissen aber oft gar nicht, was auf sie zukommt. Dann wartet hier auf sie: Essen und Trinken, der Bereich Kochschule, wo man kochen lernt und Feste feiert, dass man die Region kennenlernt, dass man die Kultur genießt in Grafenegg und, ganz wichtig, auch die vielen tollen Winzer hier, die super Präsentationsmöglichkeiten haben, sodass jeder Besuch zum Erlebnis wird. 
Erlebnisse und Emotionen, das wollen wir den Leuten auf den Weg mitgeben, wenn sie hier bei der Rezeption hinausgehen. Wenn uns das gelingt, dann ist das das Schönste für uns und das Schönste für sie.

Zur Traube