Kehlberghof in Graz: Gastronomie hat ohne Nachhaltigkeit keine Zukunft

Michael Winkler hat im Jahr 2007 gleich nach der Tourismusschule sein erstes Praktikum im Kehlberghof gemacht, das ihn nachhaltig positiv geprägt hat. Im Jahr 2019 ist er zurückgekommen und hat das Lokal gemeinsam mit seiner Partnerin Sabrina Hörbst von den langjährigen Betreibern, Vinzenz Gruber und Roswitha Puntigam, samt einem Großteil des Teams übernommen. Die dezent mediterran angehauchte Küche ist exzellent, der Weinkeller irgendwo zwischen Genie und Wahnsinn angesiedelt und im Haus herrscht ein ebenso froher wie arbeitsamer Geist. Im Gespräch erklärt Michael Winkler, warum er Vieles von den Vorbesitzern übernommen hat und doch ständig an Verbesserungen tüftelt, wie man gleichzeitig ein guter Gastgeber und ein erfolgreicher Unternehmer sein kann und warum er das Teamwork dem Feudalismus in der Gastronomie eindeutig vorzieht. 

Interview: Klaus Egle, Fotos: Elisabeth Egle 

Diese Interview-Serie zum Thema „Nachhaltig Wirten“ ist eine Kooperation von Wirtshausführer und METRO Österreich, das die Nachhaltigkeit als vorrangiges Unternehmensziel festgeschrieben hat. Gemeinsam stellen wir Wirte vor, die in vorbildlicher Weise Nachhaltigkeit täglich leben, in einer Branche, die mehr als andere im Blickfeld der Öffentlichkeit steht. So machen wir ihre nachhaltigen Initiativen sicht- und nachvollziehbar.

Schöne Aussichten – Sitzt man im wunderschönen Garten, liegt einem die Stadt Graz zu Füßen.
Vlnr.: Hausherr Michael Winkler erklärt Wirtshausführer-Herausgeber Klaus Egle, warum Gastronomie eine wirklich tolle Branche ist.

Nachhaltigkeit per se war in diesem Betrieb immer verankert.

Klaus Egle: Am Modul in Wien haben Sie einen Master in Sustainable Development, Management and Policy gemacht – Nachhaltigkeit ist also von Anfang an Ihr Thema. Warum?

Michael Winkler: Ich habe mich immer intensiv mit diesem Thema beschäftigt, weil ich der Meinung bin, dass Gastronomie ohne Nachhaltigkeit keine Zukunft hat. Ich war in meinen Wanderjahren unter anderem auf der „World“, einer privaten Luxusyacht, auf der nur die Reichsten der Reichen logieren – Luxus pur in allen Belangen, dann mit 21 Jahren auf der MS Europa als jüngster Offizier. Aber ich bin dann schnell zur Überzeugung gelangt, dass Gastronomie so langfristig nicht funktionieren kann. Da gab es einfach zu viele Missstände – wie dass jeden Tag um zwei Drittel zu viel gekocht und einfach weggeschmissen wurde oder dass man in Alaska Himbeeren zum Dessert serviert. Dabei finde ich, dass die Gastronomie wirklich eine tolle Branche ist, vor allem auch für junge Leute, die so viel lernen, sich die Welt anschauen und auch viele spannende Menschen kennenlernen können. 

Im Kehlberghof hängt der Himmel voller Trauben.
Für die FALTER EGO Grazer Stadtwein-Freunde: Gegenüber vom Kehlberghof wächst er.

Für mich kann man die Nachhaltigkeit in der Gastronomie nicht auf den Laubfrosch im Garten beschränken, auf den man nicht draufsteigen sollte.

Klaus Egle: Als Sie das Lokal übernommen haben, sind Vincenz Gruber und Roswitha Puntigam vorerst noch an Bord geblieben, Frau Puntigam ist nach wie vor Teil des Teams – von einem „sanften Übergang“ war da zu lesen. Auch ein nachhaltiges Konzept?

Michael Winkler: Wir haben uns die Frage gestellt: Warum sollen wir jetzt alles anders machen, wenn es doch bisher gut funktioniert hat. Natürlich gibt es auch Veränderungen und Neuerungen, aber die servieren wir häppchenweise. Und die Nachhaltigkeit per se war in diesem Betrieb immer verankert. Der Herr Gruber, der ja ein Witzigmann-Schüler war, hat seit jeher so gearbeitet, dass alles verarbeitet und möglichst wenig Abfall produziert wurde. Man kann ja alles verwenden, zum Beispiel für Saucen und so haben wir im Monat gerade einmal eine 125-Liter-Tonne mit Küchenabfällen. That’s it. 

Klaus Egle: Sie verwenden in der Küche Styria Beef und viele andere regionale und Bio-Produkte. Wird das von den Gästen auch geschätzt?

Michael Winkler: Ja, wir haben ein Publikum, das gute Produkte schätzt und bereit ist, auch wirklich Geld dafür auszugeben. Die kommen gerade deshalb zu uns, weil sie wissen, dass wir diesen Zugang haben. Aber wir bleiben bei der Kalkulation trotzdem maßvoll, auch beim Wein – es gibt gewisse Schmerzgrenzen, wo der Gast dann aussteigt. Man muss auch einmal dazu sagen, dass die Grundprodukte nur einen Teil, sagen wir einmal 30 Prozent, der Preiskalkulation ausmachen. Also wirkt es sich nicht gleich dramatisch auf den Preis eines Fischgerichtes aus, wenn ich statt einem Fisch aus normaler Aquakultur einen Bio-Fisch kaufe, der vielleicht um drei Euro mehr kostet. 

Wunderschönst gedeckt sind die Tische im Stüberl.

METRO hat einfach alles und verfügt über ein ausgezeichnetes Netzwerk überallhin. 

Klaus Egle: Wie kann in Ihrer Küche Nachhaltigkeit gelebt werden – Vermeidung von unnötigen Verpackungen, Verarbeitung des ganzen Produktes/Tieres, kleine Portionen?

Michael Winkler: Natürlich werden Themen wie Nose-to-tail jetzt rauf- und runtergekaut aber es gibt in einem Betrieb auch ganz viele kleine Möglichkeiten für Einsparungen und nachhaltiges Denken und Wirtschaften. Einfaches Beispiel: Ein Bewegungsmelder im Keller, damit das Licht nie unnötig brennt. Und viele solche Kleinigkeiten tragen dazu bei, dass sich das Ganze in eine nachhaltige Richtung bewegt, wobei diese Maßnahmen oft nicht einmal etwas kosten. Natürlich lässt sich nicht alles vermeiden. Eine Küche ohne Plastik funktioniert nicht aber wir verwenden ausschließlich hochwertige Kunststoff-Boxen, die x-mal wieder verwendet werden können. 

Klaus Egle: Sie sind ja selbst ein angehender Wein-Akademiker und haben unglaubliche 500 Positionen auf der Weinkarte. Lässt sich auch beim Wein etwas in Sachen Nachhaltigkeit unternehmen?

Michael Winkler: Wir haben inzwischen immer mehr Bio-Wein und lassen den schön langsam einsickern. Bei uns wird sehr viel Menü gegessen und da wir ja vier Sommeliers haben, empfehlen wir da gerne auch etwas Neues, wie alternative Weinstile und Bio-Weine zum Menü. Dann schenken wir sehr viele Weine glasweise aus, wobei wir das Coravin-System verwenden, bei dem kein Tropfen verschwendet werden muss. 

Diese Verlässlichkeit ist für uns wichtig.

Klaus Egle: Sie sind ja auch Kunde bei METRO. Wo sehen Sie die Stärken von METRO als Partner für die Gastronomie?

Michael Winkler: METRO hat einfach alles und verfügt über ein ausgezeichnetes Netzwerk überallhin, das heißt, über METRO lässt sich praktisch alles besorgen. Und aufgrund der räumlichen Nähe und der persönlichen Betreuung durch Andreas Berger bekommen wir auch alles sehr kurzfristig und flexibel, wenn wir etwas brauchen. So erhalten wir relativ schnell sehr, sehr gute Ware – auch „Sondergeschichten“, die jetzt nicht alltäglich sind. Der Andreas fragt uns auch immer wieder „wo können wir noch besser werden?“ – also da wird seitens METRO noch extra auf die Kundenwünsche eingegangen. 

Klaus Egle: Gibt es Produkte oder Services, die Sie bei METRO besonders schätzen?

Michael Winkler: Bei METRO kaufen wir unter anderem Fisch, auch Fleisch und Käse, die Käseabteilung ist wirklich sehr gut, ebenso andere Milchprodukte und Gemüse. Dabei steht bei uns immer die Qualität im Vordergrund und nicht unbedingt der Preis. Außerdem ist METRO auch im Non-Food-Bereich sehr stark und wenn wir kurzfristig einen Bedarf haben, dann finden wir dort alles. Diese Verlässlichkeit ist für uns wichtig.

Vorbesitzerin und Gastronomin Roswitha Puntigam ist noch immer mit an Bord.
Michael Winkler zieht Teamwork dem Feudalismus in der Gastronomie eindeutig vor.

Was nützt es mir, wenn ich in der Küche die besten Produkte habe aber nachhaltig keine Mitarbeiter bekomme…? 

Vlnr.: Michael Winkler, Küchenchef Hermann Ortner und Sommelier Gerald Aigner sind ein eingespieltes Team.

Klaus Egle: Der faire Umgang mit Mitarbeitern ist gerade in Zeiten wie diesen ein wesentlicher Teil der Nachhaltigkeit. Wie halten Sie es damit?

Michael Winkler: Die Probleme in der Gastronomie mit dem Personal sind auch hausgemacht. Für mich kann man die Nachhaltigkeit in der Gastronomie nicht auf den Laubfrosch im Garten beschränken, auf den man nicht draufsteigen sollte. Was nützt es mir, wenn ich in der Küche die besten Produkte habe aber nachhaltig keine Mitarbeiter bekomme…? Wir hatten das Glück, dass wir im Jahr 2019 einen gesunden Betrieb übernehmen konnten – auch mit Nachteilen, die wir aber kannten. Wir wussten, dass es ein altes Haus ist und dass wir hier heraußen sicher nicht das chice Szenelokal machen können. Aber wir haben auch gewusst, dass der Kehlberghof seit 100 Jahren ein funktionierendes Wirtshaus war, das seit 30 Jahren als Haubenlokal betrieben wurde und dass wir eine komplette, eingespielte Mannschaft übernehmen können. Aber es war natürlich auch klar, dass wir erst einmal investieren müssen, um das Lokal erfolgreich weiterführen zu können.

Klaus Egle: Was machen Sie, damit Ihre Mitarbeiter gerne hier arbeiten und dem Betrieb lange verbunden bleiben?

Michael Winkler: Eine adäquate Entlohnung weit über dem Kollektivvertrag ist für mich eine Grundvoraussetzung aber gar nicht einmal mehr maßgeblich. Für die Leute aus meiner Generation gibt es viele Dinge, die ihnen eigentlich wichtiger sind. Früher, in Zeiten des Wirtschaftswachstums gab es viele „All-In-Verträge“ und Hauptsache viel Geld. Ich bin auch nicht so ein Fan der vielzitierten Work-life-balance, weil wenn das bedeutet, weniger arbeiten und gleich viel verdienen, dann geht sich irgendwas nicht aus. Bei uns ist es so: Wir haben Sonntag und Montag geschlossen, ebenso an Feiertagen, zu Weihnachten und zu Silvester. Wir haben im Sommer zwei Wochen Urlaub, wir haben zu Ostern eine Woche zu, ebenso im Herbst. Im Service haben wir eine 4-Tage-Woche, in der Küche streben wir eine 4 ½-Tage-Woche an. 

Fein essen und fein feiern gehen Hand in Hand.
Herzlich willkommen im schicken Barbereich.

Wir wollen mit dem Betrieb auch in 20 Jahren gutes, ehrliches Geld verdienen können. 

Klaus Egle: Das bedeutet in Summe viel freie Zeit …

Michael Winkler: Es gibt auch Perioden, wo es sehr dicht ist und viel gearbeitet wird. Da kann man dann nicht Stunden zählen, wenn gerade eine Hochzeit oder eine Weihnachtsfeier ist, weil es eben in der Gastronomie so ist. Wir haben auch einen Trinkgeld-Pott, an dem nach einem bestimmten Schlüssel, den unsere langjährigen Mitarbeiter festlegen, alle beteiligt sind. Und weil unsere Gäste das wissen und auch schätzen, kommt da ganz schön was zusammen. 

Klaus Egle: Zur Nachhaltigkeit gehört ja auch der wirtschaftliche Erfolg. Wie schafft man es, gleichzeitig ein guter Gastgeber und ein erfolgreicher Unternehmer zu sein?

Michael Winkler: Wenn man selbständig ist, muss man bereit sein, viel zu arbeiten, muss Motivator sein und dass, was man von seinen Mitarbeitern gerne hätte, auch vorleben und die anderen mitziehen. Ihnen aber gleichzeitig die Möglichkeit geben, sich zu entfalten. Der Florian zum Beispiel, der Sie bedient hat, ist jetzt 26, Sommelier und studiert nebenbei. Wenn ich dem diesen Freiraum nicht gebe, dann ist er weg. Und so ist er quasi meine Rechte Hand und kennt auch alle Zahlen des Betriebes. Ich habe ja BWL studiert, aber im Endeffekt entstehen die Entscheidungen als Mischung aus Kostenrechnung und Bauchgefühl. Ich möchte auch, dass unsere Mitarbeiter die Zusammenhänge kennen und ein Stück weit über die wirtschaftlichen Bedingungen Bescheid wissen. Dabei arbeiten wir nicht spekulativ, sondern wollen mit dem Betrieb auch in 20 Jahren gutes, ehrliches Geld verdienen können.