Der Stockerwirt in Sulz im Wienerwald ist ein Paradebeispiel für einen engagiert geführten Landgasthof. Gepflegtes Ambiente inklusive wunderschönem Garten, Top-Service, eine ausgezeichnete Küche und eine Weinkarte mit unfassbaren 2.700 Positionen, die Leidenschaft des Hausherrn, locken eine bunte Gästeschar an. Katharina und Georg Stocker erzählen im Interview, wie sie das Haus Schritt für Schritt auf- und ausgebaut haben, warum man mit Work-Life-Balance allein keine Mitarbeiter langfristig an den Betrieb binden kann und wie es ihnen gelingt, ihr Lokal auch in bewegten Zeiten mit Freude und Erfolg zu führen.
Interview: Klaus Egle, Fotos: Elisabeth Egle
Dieses Interview ist Teil einer Serie zum Thema „Wirtshausführer Nachhaltig Wirten“. Es ist eine Kooperation von Wirtshausführer und METRO Österreich, das die Nachhaltigkeit als vorrangiges Unternehmensziel festgeschrieben hat. Gemeinsam stellen wir Wirte vor, die in vorbildlicher Weise Nachhaltigkeit täglich leben, in einer Branche, die mehr als andere im Blickfeld der Öffentlichkeit steht. So machen wir ihre nachhaltigen Initiativen sichtbar und nachvollziehbar.
Klaus Egle: Der Stockerwirt hat eine lange Geschichte, von der Mühle bis zum gutbürgerlichen Restaurant mit einer Top-Küche – wie wurde er das, was er heute ist?
Georg Stocker: Die Mühle gab es ab 1896, da wurde das Haus gebaut. Ab dem Jahr 1925 war es ein Wirtshaus und 1955 haben es dann meine Großeltern gekauft. Da war es ein sehr einfaches Gasthaus mit einem öffentlichen Schwimmbad und Liegewiese, da fließt ja der Mödlingbach vorbei und am Rohrberg ist eine Quelle, die in den Mödlingbach fließt – damit haben wir das Schwimmbad gespeist. Meine Frau Katharina und ich haben 1989 maturiert, wir haben uns in der Schule kennengelernt, und ich habe gleich nach der Matura in der Hotelfachschule im Betrieb mitzuarbeiten begonnen. Das war für mich nie eine Frage, ich bin ein Wirtshauskind, die Mutter hat den Betrieb allein geführt, also bin ich hier gleich eingestiegen.
Katharina Stocker: Ich bin nach der Hotelfachschule für eineinhalb Jahr nach Amerika, Sun Valley; Idaho gegangen und war nach meiner Rückkehr zuerst in mehreren Hotels in Wien und dann in der Pharmabranche tätig und bin dann, als die Kinder gekommen sind, ebenfalls voll ins Lokal eingestiegen.
Klaus Egle: Sulz im Wienerwald ist zwar nahe den Ballungsräumen aber doch auch nicht der Mittelpunkt der Welt. Wart ihr denn von Beginn an überzeugt, dass eurer Geschäftsmodell funktionieren wird?
Georg Stocker: Das Geschäft ging eigentlich immer gut, auch als wir noch ein viel einfacheres Konzept hatten. Wir sind ja damals auch nicht angetreten und haben mit 21 Jahren gesagt, wir machen jetzt ein Drei-Hauben-Restaurant, sondern haben immer kleine Schritte gemacht. Wir sind gut essen gegangen, haben etwas gesehen und immer wieder das Eine oder Andere bei uns umgesetzt. Und wir haben in dieser stetigen Weiterentwicklung auch manche Gäste mitgenommen. Man verliert natürlich auch Gäste, gewinnt aber viele neue und dann gibt es eben die, deren finanzielle Situation sich verbessert hat und deren Interesse und Leidenschaft für gutes Essen und Trinken gewachsen ist – und die kommen noch immer zu uns. Gleichzeitig ist unser Lokal natürlich auch ständig schöner geworden – Katharina sei Dank, die sich unter anderem um das Interieur und Ambiente kümmert.
Ich bin ein Wirtshauskind.
Georg Stocker
Klaus Egle: Die Zeiten für die Gastronomie waren sicher schon einmal einfacher… Stichworte: Inflation, Energiekosten, Personalnot. Was braucht es, um ein Wirtshaus heute erfolgreich zu führen?
Georg Stocker: Dafür braucht man zuerst einmal die nötige Leidenschaft. Wenn du selbst die Leidenschaft hast, gerne essen zu gehen und daher weißt, wie es sich anfühlt, auf der Seite des Gastes zu sein, dann weißt du auch, wie du gerne bedient werden möchtest. Genau das musst du dann im eigenen Lokal umsetzen und da gibt es ein paar ganz wichtige Faktoren. Du brauchst ein super Ambiente, das wird immer wichtiger, weil es viele Gäste gibt, die jemanden ins Restaurant einladen – und da will man ja auch ein bisschen „Eindruck schinden“. Dann braucht man eine gute, spannende Speisekarte, weil es immer mehr Leute gibt, die ein bisschen spezieller essen wollen, wie Vegetarier oder Veganer, das muss man alles abdecken und zwar in sehr guter Qualität. Außerdem brauchst du eine super Servicequalität, das gelingt nicht immer, sollte aber auf jeden Fall der Anspruch sein. Aus meiner Sicht sehr wichtig ist das Getränkeangebot und die dazu passende Glaskultur. Und du darfst nicht zu billig sein, weil wenn wir jetzt wieder bei den Gästen sind, die andere einladen, dann muss das auch etwas kosten, damit die Eingeladenen sehen, dass sie dem Gastgeber etwas wert sind.
Klaus Egle: Regionale Produkte stehen bei euch im Mittelpunkt und ihr reift sogar selbst Fleisch. Ist das ein schöner Luxus oder auch ein Geschäftsmodell?
Georg Stocker: Da haben wir uns im Lauf der Zeit auch ganz stark weiterentwickelt. Vor 15 oder 20 Jahren waren internationale Produkte wie Thunfisch oder Steaks aus Südamerika aber auch Fusionküche ein wichtiges Thema, das hat sich inzwischen komplett geändert.
Katharina Stocker: Mitverantwortlich war dabei ein Film über nachhaltige und gute Tierhaltung, den unsere Tochter Chiara in der Schule gesehen hat und die hat dann immer öfter gesagt, dass sie zum Beispiel ein Schnitzel nicht essen will, wenn das Fleisch nicht aus einer guten Haltung kommt.
Maximale Transparenz, darum sind wir auch für eine Lebensmittel-Kennzeichnungspflicht in der Gastronomie.
Katharina Stocker
Georg Stocker: Wir sind dann aber gleich ein paar Schritte weitergegangen und haben das Nachhaltigkeits-Thema in unserem Haus mit großer Konsequenz umgesetzt. Wir haben uns auf die Suche nach Lieferanten in der Umgebung gemacht und haben die auch gefunden. Wir kriegen von der Familie Heindl jede Woche zwanzig echte Bio-Hühner aus einer mustergültigen Freilandhaltung geliefert. Klar kostet das das Doppelte oder Dreifache eines Billig-Huhnes aber das muss auch so sein. Vorige Woche haben wir von der Birgit Scheikl in St. Ägyd, die ihren Hof seit 30 Jahren biologisch bewirtschaftet, zwei ganze Lämmer bekommen – und dann bekommen wir in vier Monaten wieder zwei. Das Alles ist sehr kleinteilig und auch mit einem hohen Aufwand verbunden – fast jeden Tag schreiben wir die Speisekarte um. Ob Mangalitzaschwein im Ganzen oder das Rind vom Salmannshofer, da bekomme ich das ganze Rind mit 300 Kilo und der nimmt mir gleich die Enten mit und den Fisch vom Heinisch. Da bekomme ich 400 Kilo Fleisch und Fisch aus Schwarzau.
Klaus Egle: Das sind ja Grundprodukte in allerhöchster Qualität praktisch um’s Eck.
Georg Stocker: Ja, weil wenn ich da das Fleisch aus Argentinien kaufe, und die Scampi aus Bangladesh und die Enten aus Ungarn, da kommen abertausende Kilometer an Transportwegen zusammen. Das macht über’s Jahr wohl ein ganzes Flugzeug aus, das dann nicht fliegen muss. Bei uns gibt es eine ganz klare Hierarchieund das steht auch so in der Speisekarte: Wir wollen die Lieferanten unserer Produkte nennen, wenn das nicht möglich ist, kaufen wir Bio-Qualität und wenn das auch nicht geht, dann zumindest ein Produkt aus Österreich. Kalbfleisch zum Beispiel steht ganz einfach nicht immer als Bioprodukt zur Verfügung.
Klaus Egle: Wie könnt ihr das euren Gästen noch kommunizieren?
Katharina Stocker: Am Gast direkt, bei Empfehlungen, da gehst Du ja sehr gerne hin und erzählst die Geschichte der Produkte, natürlich in der Speiskarte und auch auf unseren Instagram-Postings. Außerdem sind wir gerade dabei, das auch auf unserer Homepage noch besser herauszuarbeiten. Wir wollen da maximale Transparenz, darum sind wir auch für eine Lebensmittel-Kennzeichnungspflicht in der Gastronomie.
Klaus Egle: Der ganze Aufwand, den ihr hier treibt – ist das auch wirtschaftlich beziehungsweise akzeptieren die Gäste dann auch höhere Preise?
Georg Stocker: Ja, wir haben zum Glück die Gäste, die das auch schätzen.
Katharina Stocker: Der Gast, der privat auch Bio-Produkte einkauft, der weiß, dass die etwas kosten.
Klaus Egle: METRO Österreich ist ein wichtiger Partner für euch mit dem euch eine besondere Geschichte verbindet…
Georg Stocker: Ja, Metro ist uns wirklich ans Herz gewachsen. Ich bin als Dreijähriger mit meiner Mama im Metro Markt in Vösendorf im Einkaufswagerl gesessen, das war für mich schon als Kind und später als junger Bursche immer ein Highlight. Und Metro ist für uns ein Partner ohne den ich nicht sein möchte. Immer wieder gibt sich der Mitbewerb von Metro bei uns die Klinke in die Hand und da kann es schon einmal sein, dass es im einen oder anderen Segment einmal ein günstigeres Angebot gibt oder einen höheren Jahresbonus aber die haben trotzdem keine Chance, denn das Gesamtpaket ist bei Metro einfach unschlagbar und schließlich gibt es bei Metro den Claus Hahofer. Der ist als Betreuer ein Wahnsinn, hat immer ein Ohr für uns, nimmt unsere Sorgen ernst, deren wir ganz wenige haben. Ich bin eigentlich ein sehr pflegeleichter Partner aber wenn ich einmal anrufe, dann wissen die Lieferanten, dass der Stocker jetzt wirklich ein Problem hat und da kümmert sich der Claus Hahofer super um uns. Ich habe bei ihm das Gefühl, dass der seinen Job gern macht und dass es ihm ganz wichtig ist, dass wir zufrieden sind – und das sind wir auch. Also über Metro lasse ich nichts kommen.
Klaus Egle: Immer mehr steht in der Gastronomie das Thema Mitarbeiter im Mittelpunkt. Was macht ihr, damit sich diese bei euch wohlfühlen und dem Betrieb lange treu bleiben?
Georg Stocker: Ich glaube nicht, dass man mit der vielzitierten Work-Life-Balance einen Mitarbeiter langfristig an den Betrieb binden kann. Wir schaffen das mit zwei Dingen: Erstens eine außerordentlich gute Bezahlung und zweitens ein extrem gutes Betriebsklima, indem wir uns hier alle auf Augenhöhe begegnen.
Katharina Stocker: Bei uns geht es zu wie in einer Familie und darum fühlen sich die Mitarbeiter wirklich wohl auch wenn sie sehr viel arbeiten müssen. Selbst wenn Hochbetrieb ist, rennt in der Küche der Schmäh, die sind gut drauf und auch im Service haben wir ein gutes Team.
Uns ist es wichtig, selbst im Betrieb mitzuarbeiten und ich erwarte mir dieses Geben und Nehmen, dieses einander helfen, denn wir sind ein Team.
Georg Stocker
Metro ist für uns ein Partner ohne den ich nicht sein möchte.
Georg Stocker
Georg Stocker: Unser Küchenchef ist schon seit 16 Jahren da, der zweite Koch seit 15, einer seit 14, auch im Service einer seit 17, einer seit 16, einer seit 15… das spricht schon für sich. Katharina hat mehr die soziale Kompetenz, führt die persönlichen Gespräche, das ist nicht so meines. Aber wenn bei mir ein Mitarbeiter mit drei Tellern vorbeigeht und es fällt ihm eine Gabel auf den Boden, dann kannst Du sicher sein, dass ich schneller als er unten bin und sie für ihn aufhebe. Uns ist es wichtig, selbst im Betrieb mitzuarbeiten und ich erwarte mir dieses Geben und Nehmen, dieses einander helfen, denn wir sind ein Team. Da bin ich dann aber auch hart, das geht bei mir nicht, wenn wir das Haus voll haben und jemand bleibt wegen einem Schnupfen zu Hause – dann ist er bei uns falsch. Wir haben All-In-Verträge und die Leute sind absolut bereit, auch mehr zu arbeiten, wenn viel los ist, ohne die Stunden zu zählen.
Katharina Stocker: Wir haben allerdings auch im Sinne der Arbeitszeiten der Mitarbeiter die großen Veranstaltungen im Haus deutlich reduziert. Während Corona war ja Vieles gar nicht möglich und jetzt haben wir das so beibehalten.
Klaus Egle: Das nächste große Thema, das uns alle und die Wirte ganz besonders beschäftige ist die Energie. Welche Maßnahmen setzt ihr um euren Energieverbrauch zu reduzieren bzw. selbst Energie zu produzieren?
Katharina Stocker: Wir haben jetzt umgebaut wobei wir viele natürliche Materialien vom Lehmputz über altes Holz bis zu Stoffen, die von einer österreichischen Firma produziert werden, verarbeitet haben. Im Zuge dessen haben wir am Dach eine ganz neue Fotovoltaik-Anlage installiert, in der Küche haben wir komplett auf Induktion umgestellt aber ich würde in Zukunft gerne noch um einiges mehr machen – von der Wärmepumpe bis Solarenergie. Ich würde auch am liebsten das Plastik aus der Küche verbannen aber das ist ganz einfach nicht machbar, weil Plastikverpackungen kaum zu vermeiden sind und im Sinne der Küchenhygiene auch sehr viel vakuumiert werden muss. Aber für Takeaway haben wir zum Beispiel schon eine Verpackungslösung ohne Alufolie gefunden. Da haben wir jetzt auch schöne, gebrandete Sackerln, das schaut richtig gut aus und die nehmen sich die Leute dann auch gerne mit nach Hause.
Klaus Egle: Da ist ja schon eine Menge passiert. Und was sind eure nächsten Pläne?
Georg Stocker: Da sind wir schon Mitten drin. Im hinteren Bereich zum Garten und zum Teich entsteht gerade ein eigener Empfangsbereich und eine Art Chefs-Table für kleine Gruppen, die gerne für sich sein wollen, mit einer eigenen Terrasse im Garten dazu.
Kathatrina Stocker: …und mit einem eigenen Keramikatelier, das nur durch eine Glasscheibe abgetrennt ist und in dem wir dann sogar unser eigenes Geschirr produzieren können.