Gasthof Lamm: 500 Jahre Gasthofgeschichte ist nichts anderes, als nachhaltig zu wirten

Der Brennerpass als Reise- und Handelsroute prägte sehr früh die Geschichte von Matrei am Brenner. Schon für die Römer war Matrei eine Station an der wichtigen Route über die Alpen. Auf diese Zeit und das frühe Mittelalter wird auch der bauliche Ursprung des heutigen Ortsbildes zurückgeführt. Zwei lange Reihen kunstvoll bemalter Bürger- und Gasthäuser verleihen dem Ort ein eindrucksvolles Ambiente. Eines davon ist der Gasthof Lamm mit seinen einzigartigen schönen Stuben, dem fröhlich-stylish hergerichteten Gastgarten und den mit viel Gespür für das Schöne eingerichteten Gästezimmern. Den Gasthof gibt es seit 1520 und die Familie Henökl schreibt in der vierten Generation die Gastgebergeschichte des Hauses fort. Veronika Henökl ist das „Herz des Hauses“ und kümmert sich mit ihrem Team um das Wohl der Gäste. Küchenchef Martin Henökl, der das Kochen von der Pike auf gelernt hat, kocht mit seinen Leuten, wie das Haus und die Menschen sind: unverfälscht, direkt, saisonal und mit hohem Qualitätsanspruch. 

Fotos und Interview: Elisabeth und Klaus Egle

Dieses Interview ist Teil einer Serie zum Thema „Wirtshausführer Nachhaltig Wirten“. Es ist eine Kooperation von Wirtshausführer und METRO Österreich, das die Nachhaltigkeit als vorrangiges Unternehmensziel festgeschrieben hat. Gemeinsam stellen wir Wirte vor, die in vorbildlicher Weise Nachhaltigkeit täglich leben, in einer Branche, die mehr als andere im Blickfeld der Öffentlichkeit steht. So machen wir ihre nachhaltigen Initiativen sichtbar und nachvollziehbar.

Die Betten waren schon immer da. Die haben wir alle aufgerichtet.

Klaus Egle: Wir sind von 500 Jahre Gastgebergeschichte umgeben. So ein altes Haus zu betreiben und zu bewirtschaften ist ja an sich schon nachhaltig. Da tut man sich in einem Neubau sicher oft leichter. Man muss das schon mögen, oder?

Martin Henökl: 
Also verglichen mit einem Neubau betreiben wir hier sicher den doppelten Aufwand. Wir kochen im ältesten Teil des Hauses, die Räume sind nicht sehr hoch und man kann nichts verfliesen. Es ist noch dazu ein Gewölbe mit zwei Meter dicken Steinmauern. Dass wir da drinnen überhaupt arbeiten können, ist für sich alleine schon aufwändig. 

Klaus Egle: Ihr Haus hat aber auch sehr viel Atmosphäre, man sieht viel Handwerkskunst und schön restaurierte Möbelstücke – auch in den Gästezimmern. 

Martin Henökl: Stimmt, die Betten haben wir alle „aufgerichtet“, also zu Deutsch restauriert. Die waren einfach schon immer da. Sie passen gut zum Haus und wegschmeißen wollten wir sie auch nicht. Die Matratzen und Lattenroste sind aber neu und man liegt gemütlich drin wie in einem Boxspringbett. Die meisten Durchreisenden können das gar nicht glauben. Sie probieren die Betten vorher gerne aus, bevor sie das Zimmer nehmen, weil sie glauben, man liegt hart. 

Wir pflegen die Tiroler Küchentradition mit den regionalen Gerichten. Sie sind einfacher und arbeitsaufwändiger als nur ein Schnitzel herunterzuschneiden.

Klaus Egle: Das Thema Ressourcen ist ein ganz wichtiges. Wie schaffen Sie das in so einem großen Haus mit dem Energie-Management?

Martin Henökl: 
Das Gas habe ich schon 2002 weggetan und wir kochen seitdem mit Induktion. Wir sind jetzt dabei, eine Photovoltaikanlage für Strom und für das Warmwasser zu installieren, weil wir in der Küche den ganzen Tag warmes Wasser brauchen und seit 15 Jahren sind wir beim Fernheizwerk dabei. 

Klaus Egle: Wir haben ja verschiedene Themen bei der Nachhaltigkeit. Eines davon ist es, weniger Fleisch zu essen. Die traditionelle Tiroler Küche ist ja von Haus aus eine mit wenig Fleisch. Welche Rolle spielt sie bei Ihnen?

Martin Henökl: Wir pflegen die Tiroler Küchentradition mit den regionalen Gerichten. Speziell eine Tris, das Tiroler Dreierlei aus Spinatknödeln, Käsenocken und Schlutzkrapfen, das geht schon narrisch gut. Oder ein Tiroler Gröstl oder Kasspatzln. Die Schlutzkrapfen machen wir in allen möglichen Variationen, mit Schwammerlfülle, mit Kürbis. Wenn man sich die Nachfrage ansieht, sind die mit Fleisch weniger gefragt. Unter der Woche machen wir ein Mittagsmenü. Da gibt es das alles, Blattln mit Kraut, Kiachl, Kasknödel, Speckknödel, Leberknödel.  

Wir haben viel Glück mit den Mitarbeitern.

Klaus Egle: Das ist ja schon Esskulturpflege. Ihr haltet diese alpine Küchentradition hoch. Und gleichzeitig ist es nachhaltig, weil doch sehr gemüselastig. 

Martin Henökl: 
Es sind einfache Gerichte. Sie sind arbeitsaufwändiger als nur ein Schnitzel herunterschneiden. Die Leute schätzen das schon, dass es das noch bei uns gibt. Jeden ersten Freitag im Monat mache ich Blattln mit Kraut (Anm. Redaktion: Frittierte Teigstücke). Da habe ich vom Stand weg 100 Reservierungen. 

Klaus Egle: In der Küche verwendet ihr viel Wild und auch Fisch aus der Region. Das braucht doch viel Handwerk und Können. Lernt ein Lehrling heute noch Fleischverarbeitung, wie Sie das machen? 

Martin Henökl: 
Es kommt auf den Betrieb an. Bei uns schon. Wir haben viele Lehrlinge ausgebildet, es wird aber immer schwieriger, jemanden zu bekommen. Wir haben jetzt einen Lehrling im dritten Lehrjahr. Eine Jungköchin, die bei mir gelernt hat, ist gerade auf Saison in einem Haubenlokal in Landeck. Das wollte sie sich unbedingt anschauen. Und was das Wild betrifft: In der Familie sind wir alle Jäger und kaufen auch viel Wild aus der Gegend hier. Gerade heute habe ich drei Rehe bekommen. Die hängen jetzt in der Decke im Kühlraum und werden in den nächsten Tagen zerwirkt.

90 Prozent unserer Gäste sind Einheimische. Touristen haben wir sehr wenige, die meisten fahren über die Brenner-Autobahn.

Klaus Egle: Neben den Produzenten aus der Region braucht es aber auch einen starken Partner im Großhandel. In welchen Bereichen ist METRO ein wichtiger Partner für Sie?

Martin Henökl: 
Schon seit 30 Jahren kaufen wir bei Metro. Alle Milchprodukte sind von Tirol Milch. Beim Käse schauen wir, dass wir nur österreichischen haben. Da ist Metro weit vorne von der Auswahl her. Die Frischeprodukte hole ich mir selber, den Rest lasse ich zustellen. Fisch kaufen wir auch bei Metro. Unsere einheimischen Gäste wollen nicht immer nur Saibling, sondern auch einmal etwas anderes, zum Beispiel Meeresfische. Wir machen auch immer einen Heringsschmaus, da brauche ich viel aromatischen Stockfisch für das Gröstl. Den kriege ich von Metro fix fertig gewässert, ich habe es selbst probiert, aber es hat nicht funktioniert. Keine Ahnung, wie die das machen, dass der Fisch wieder weiß wird. (Anm. Redaktion: Die Delikatesse Stockfisch hat schon die Wikinger satt gemacht. Die Fische werden, an Stöcken aufgehängt, luftgetrocknet. Von da kommt der Name „Stockfisch“. Nach dem Trocknen hat der Fisch bis zu 80 Prozent seiner Flüssigkeit verloren und die Nährstoffe bleiben in hochkonzentrierter Form erhalten. Vor dem Zubereiten muss er bis zu 36 Stunden lange gewässert werden.)

Klaus Egle: Wir sind am Brenner mit der alten Brenner-Pass-Strasse und jeder Menge Geschichte. Kommen viele Touristen als Gäste zu euch?  

Martin Henökl: 
90 Prozent sind Einheimische. Touristen haben wir sehr wenig. Die meisten fahren über die Brenner-Autobahn und selbst jene, die durch unseren Ort fahren, wollen vor allem schnell von A nach B. Wobei es schon auch welche gibt, die ganz bewusst am Weg in den Urlaub einen Zwischenstopp bei uns machen. Aber insgesamt sind das viel weniger als früher und das wirkt sich auch auf die Anzahl der noch offenen Wirtshäuser im Ort und in der Gegend aus, die immer weniger werden.

Das Beuschl putzen und schneiden mache ich immer selbst. Wenn es nicht perfekt ist, schmeckt es mir nämlich selber nicht und das würde ich niemals einem Gast servieren.

Klaus Egle: Wir haben bei euch herrliche Tiroler Tris gegessen, den Gastgarten genossen und wurden freundlichst umsorgt. Was macht ihr, damit sich auch die Mitarbeiter bei euch wohlfühlen?

Martin Henökl: 
Wir haben viel Glück mit den Leuten. Es sind alle aus der GegendWir haben jetzt mittlerweile zweieinhalb Ruhetage in der Woche. Die Mitarbeiter schätzen das schon. Früher war nur am Montag zu, jetzt auch am Dienstag und Sonntagabend. Die ersten 20 Jahre haben meine Frau und ich keinen Urlaub gemacht. Jetzt sind wir im Vorjahr so weit gekommen, dass wir in der Zwischensaison 14 Tage zusperren und auf Urlaub gehen. Wenn ich heute eine 6-Tage-Woche einführen würde, dann stehe ich zwei Tage davon allein in der Küche (lacht). Übrigens bin ich jetzt mit dem Kopf schon beim Beuschl…

Klaus Egle: Und das heißt?

Martin Henökl: Dass ich jetzt das Beuschl putzen und schneiden gehe. Das mache ich immer selbst, weil es niemand so macht, dass es mir passt. Wenn es nicht perfekt ist, schmeckt es mir nämlich selber nicht und das würde ich niemals einem Gast servieren.