Franz Ferdinand: Unsere Küche entspricht unserem Lebensgefühl

Es war ein purer Zufall, dass der Buchhändler Bernhard Forstreiter aus Wien in den 1990er Jahren in Steyr sesshaft wurde. Für Steyr, so kann man sagen, war es aber ein kulinarischer Glücksfall. Einige Jahre später lernte er, der inzwischen mit Wein handelte und immer tiefer in die Gastronomie eintauchte, die Köchin und Psychotherapeutin Maria Reitner, „das eine ginge nicht ohne das andere“, kennen. Als in der Altstadt mit Namen Steyrdorf ein Ecklokal frei wurde, konnten sie den langgehegten Wunsch, ein Lokal mit einem Gastgarten zu betreiben, umsetzen. Sie nannten es „Franz Ferdinand“ als Hommage an die vielfältige, gesamtösterreichische Küche zur Zeit der Monarchie. Dort hegen und pflegen sie seit 2005 vorzügliche Alpen-Adria-Küche, sind sich einer treuen lukullischen Gefolgschaft sicher, und handeln mit Wein aus dem Weinviertel, Friaul und der Toskana. Zum Weinviertel hatten beide schon immer einen speziellen Bezug – seit 1994 gehören Bernhard Forstreiter zwei Hektar Weinberge in der Nähe von Unterretzbach. Im Ort selbst schuf das Gastroehepaar mit „Weinberg 6“ ein Zuhause auf Zeit. Ein großes 350 Jahre altes Bauernhaus aus Lehmziegeln wurde höchst aufwendig renoviert und kann als Ferienhaus gemietet werden.
Interview: Klaus Egle, Fotos: Elisabeth Egle 

Diese Interview-Serie zum Thema „Nachhaltig Wirten“ ist eine Kooperation von Wirtshausführer und METRO Österreich, das die Nachhaltigkeit als vorrangiges Unternehmensziel festgeschrieben hat. Gemeinsam stellen wir Wirte vor, die in vorbildlicher Weise Nachhaltigkeit täglich leben, in einer Branche, die mehr als andere im Blickfeld der Öffentlichkeit steht. So machen wir ihre nachhaltigen Initiativen sicht- und nachvollziehbar.

Das Franz Ferdinand ist als Hommage an die vielfältige, gesamtösterreichische Küche zur Zeit der Monarchie gedacht.

Ich habe mich geschichtlich und kulinarisch schon immer mit der Küche der einfachen Leute beschäftigt.

Maria Reitner

Klaus Egle: Wie kommt man auf Alpen-Adria-Küche als Konzept?
Maria Reitner:
 Es war mein Wunsch, so zu kochen. Mich hat immer beschäftigt, was ist die traditionelle österreichische Küche? Nur gekochtes Rindfleisch? Mir war es wichtig, die österreichische Küche zu hinterfragen. Was sind die Produkte? Was wurde von wem wie gekocht? Ich habe mich geschichtlich und kulinarisch schon immer mit der Küche der einfachen Leute beschäftigt. Aufgrund meiner Herkunft, ich komme von einem Bauernhof, und weil es naheliegend war – Oberösterreich hat vor über 100 Jahren kulinarisch zum Alpen-Adria-Raum gehört. 
Bernhard Forstreiter: Außerdem entspricht es auch unserem Lebensgefühl und unserer Überzeugung. Wir bereisen das Gebiet regelmäßig. Irgendwann kam das Selberimportieren von Wein aus der Gegend dazu. 

Klaus Egle: Es gibt bei euch den Grundsatz „Ganze Tiere werden komplett verwertet“. Was heißt das?
Maria Reitner:
 Wir sind bekannt für die unterschiedlichsten Beuschel-Arten. Es gibt einen Milchbauer bei uns, der muss immer wieder Kälber schlachten. Beuschel wird heute aber kaum mehr privat gekocht. Sie, die Bäuerin ruft dann mich an und ich nehme die Teile, die keiner will. Mir ist egal, was sie hat, ich nehme es. Es gibt viele Gäste, die wegen der Innereien zu uns kommen. 

Die Alpe-Adria-Küche ist die Küche der Köchin Maria Reitner.
Bernharad Forstreiter, begnadeter Gastwirt und Weinkenner.

Uns ging es um den Austausch, Wissen und Traditionen wieder zusammenzubringen. 

Bernhard Forstreiter

Klaus Egle: Ihr hängt also der Cucina Povera an. Da ist ein Produkt, das will keiner haben, weil er sich nicht die Arbeit damit antun will. Das ist ja herrlich, weil es ist eine Küche des Kochs.
Maria Reitner:
 Ja, ich muss mir die Arbeit antun, aber es ist trotzdem alte traditionelle österreichische Küche, eben Alpen-Adria-Küche. Oder eben eine „Küche der armen Leute“. Die Frage ist ja, was wird im Süden mit den Innereien gemacht? Meistens nicht viel anderes. Sie schneiden alles in ein Ragú hinein. Man muss möglichst viel Geschmack aus wenig Produkt holen. Mein Ziel ist vor allem, wenn es um Fleisch geht, dass es nicht das Hauptprodukt ist, sondern zu einem Nebenprodukt durch die vielen Erweiterungen des Kochens mit Hartweizengries, Erdäpfeln, Bohnen und Kichererbsen wird. 

Klaus Egle: Das ist ja insofern wieder ein sehr nachhaltiger Ansatz, weil inzwischen unser großes Problem die Fleischproduktion ist. 
Maria Reitner: Ja, man muss sich mit anderen Produkten beschäftigen oder ihren Erweiterungen. Und man muss konsequent ein ganzes Tier bearbeiten. 

Bernhard Forstreiter: Das beste Beispiel für Verschwendung ist das Ganslessen. Verkürzt gesagt, eine Gans wird gebraten, abgenagt und der Rest kommt in den Mistkübel. 

Maria Reitner, Wirtshausführer-Herausgeber Klaus Egle und Bernhard Forstreiter diskutieren über kulinarische Traditionen.

Es macht Sinn, so zu kochen und zu leben. Das ist Essen, das auch nachgefragt wird und die Leute schätzen. 

Maria Reitner

Maria Reitner: Wir verkochen keine Gansln. Die Gans ist klassische traditionelle Wirtshausküche. Das macht wer anderer. Wir machen in der Zeit immer Ente und Entenmenüs. Im Alpen-Adria-Raum hatte man früher Enten und Hühner im Hintergarten gehalten. Natürlich, über das Gansl-Essen bringt man ganze Familien ins Wirtshaus, die sonst nicht essen gehen würden.

Klaus Egle: Was macht euch am meisten Freude bei dieser Art des Kochens?
Maria Reitner:
 Es macht Sinn, so zu kochen und zu leben. Das ist Essen, das auch nachgefragt wird und die Leute schätzen. Weil es immer wieder um das Nachdenken über diese Produktgeschichten, den Geschmack, die Herkunft und Zusammenhänge, das Verstehen, entwickeln und tun geht. Dann auch noch davon leben zu können ist eigentlich ein schöner Zustand. 

Klaus Egle: Kann man sagen, das ist Kreislaufwirtschaft?
Maria Reitner: Ja, es fällt einem immer wieder etwas dazu ein. Dieses Abrufen von Erfahrungswissen, was sich vernetzt hat, ist schon spannend. Was das Schönste ist, wenn Gäste, wie unlängst passiert, sagen, das war für sie ein Seelen-Essen und wir haben die sogenannte „Oma-Marke“ übertroffen. 

Kohlrabicarpaccio mit Zitronenrahm, Schnittlauch und Forellenkaviar und Marinierte Flusskrebschen mit Rucola und Zitronenöl sind höchst erfrischende Vorspeisen.

Wir wollten einen Namen, den jeder kennt, und trotzdem niemand weiß, warum wir so heißen.

Maria Reitner

Klaus Egle: Ihr bezieht viele Produkte aus der Region, andere aus dem Alpen-Adria-Raum. Bei welchen Produkten und in welchen Bereichen ist METRO ein wichtiger Partner für euch?
Maria Reitner: Sowohl im Trockensortiment als auch beim Fisch, wo Frische, Qualität und Auswahl absolut stimmen. Viele Fische kommen ja aus Kroatien, was wieder perfekt zu uns passt.

Berhard Forstreiter: Und bei der ganzen „Hardware“. Wenn wir Sonnenschirme brauchen fahren wir zum METRO, wenn wir einen Griller brauchen genauso – es gibt ganz einfach alles und das ist schon ein großer Vorteil.

Klaus Egle: Wie kam es zu dem Namen „Franz Ferdinand“?
Maria Reitner: Das hat mit der österreichischen Geschichte zu tun. Sarajewo und die Ermordung von Franz Ferdinand waren letztendlich der Auslöser für den 1. Weltkrieg und damit auch der Zerfall der kulinarischen Tradition und des Austausches. Wir haben uns gefragt, was verbindet man mit der Außengrenze von Alt-Österreich damals? Franz Ferdinand. Wir wollten bewusst keine italienischen Namen, weil wir sonst ein italienisches Lokal sind. Wir wollten einen Namen, den jeder kennt, und trotzdem niemand weiß, warum wir so heißen. 

Bernhard Forstreiter: Wenn man sich anschaut, ist die heutige österreichische Küche sehr eng obwohl wir eine unglaubliche Küchentradition hatten, die einmal ganz anders war. Uns ging es um den Austausch, Wissen und Traditionen wieder zusammenzubringen. Das Originelle dabei ist auch, dass unser Architekt aus Sarajewo kommt und mit einer Steyrerin verheiratet ist. 

Wenn man sich anschaut, ist die heutige österreichische Küche sehr eng, obwohl wir eine unglaubliche Küchentradition hatten, die einmal ganz anders war.

Bernhard Forstreiter
Michael Eichinger ist Bernhard Forstreiters Metro-Mann für alle Fälle: Vom Fisch bis zum Sonnenschirm.

Das Wichtigste war uns mit unserem Lokal Mut zu zeigen.

Maria Reitner

Klaus Egle: Was ganz anderes. Was hat es denn mit dem höchst auffälligen gemusterten Vorhang in eurem Lokal auf sich?
Bernhard Forstreiter: 
Das ist Zufall. Unser Architekt hat gesagt, dort an die Wand gehört ein buntes Stück Stoff. Wir haben lange gesucht und sind bei einer sehr bekannten finnischen Designmarke gelandet. Zufall deswegen, weil dies damals einer der wenigen Stoffe war, den man nach Laufmetern kaufen konnte und der flammhemmend ist.

Maria Reitner: Ja, aber das Wichtigste war uns, mit unserem Lokal Mut zu zeigen. Sei es mit der markanten gelben Innenraumfarbe oder dem Vorhang. So kommt man ins Gespräch und wird interessant.