Seit 20 Jahren lenken Roman Horvath als Weingutsleiter und Heinz Frischengruber als Kellermeister die Geschicke der Domäne Wachau. In dieser Zeit haben sie nicht nur den Betrieb neu erfunden, sondern den Weinstil des Hauses modern und zukunftsfit gemacht.
Text und Fotos: Klaus Egle
„Wir wollen nicht die beste Genossenschaft des Landes und nicht einmal die beste der Welt sein“, sprach Roman Horvath in der dicht gedrängten Atmosphäre des Kult-Wirtshauses Reznicek in Wien vor rund 30 aufmerksamen Journalist:innen und Wirt:innen, „lieber wollen wir eines der besten Weingüter von Österreich sein!“ Klingt jetzt einmal reichlich unbescheiden, allerdings, ein bissl was hat man auch schon geschafft: Wirtshausführer Weingut des Jahres 2023 und als Draufgabe noch Falstaff Winzer 2024, das passiert doch nicht ganz zufällig. Tatsächlich hat das Duo in den vergangenen Jahren an ganz vielen Stellschrauben gedreht, um den wichtigsten Weinbaubetrieb der Wachau, der immerhin den Ertrag von 400 Hektar Weingärten keltert und vermarktet, weiterzuentwickeln und zu einem modernen Weingut mit spannenden Weinen zu transformieren.
Die Genossenschaft als Trumpf
Viele Jahre galt es als Makel, eine Genossenschaft zu sein, man hatte damit eher ein Imageproblem und die meisten heimischen Genossenschaften blieben in den vergangenen Jahrzehnten aufgrund ihrer Struktur auf der Strecke. Horvath und Frischengruber drehten freilich den Spieß um und erklärten das, was eigentlich stets als Schwäche des Systems galt, zur seiner Stärke. „Unser Betrieb besteht aus 200 Weinhauer:innen, die wir nicht als Traubenlieferanten bezeichnen und behandeln, sondern als Miteigentümer“, erklärt Heinz Frischengruber, und: „Da haben wir ein gebündeltes Know-how, motivierte Leute, die etwas wissen und können und Verantwortung übernehmen. Außerdem bedeutet das, dass wir zur Lesezeit mit den Familien der Mitglieder zusammen 2.000 Hände da draußen haben, die zum richtigen Zeitpunkt das Richtige tun!“
Unser Betrieb besteht aus 200 Miteigentümern!





Weinbau bietet eine Lebensgrundlage
Roman Horvath führt gleich noch einen Vorteil des genossenschaftlichen Systems ins Treffen: „Wir sind ein Non-Profit-Unternehmen und was erwirtschaftet wird, geht – neben Investitionen in den Betrieb – direkt an die Mitglieder. Was bedeutet, dass ihre Arbeit auch bei relativ geringen Rebflächen eine echte Lebensgrundlage darstellt“. Zwei Hektar bewirtschaftet ein Mitglied im Schnitt und abgerechnet wird nicht wir früher einfach nach Kilo und Zuckergradation, sondern mit Hilfe einer komplexen Matrix, die verschiedenste Einflussfaktoren von der Hangneigung bis zur geografischen Lage in der Wachau berücksichtigt und laufend adaptiert wird.
Kleinteilig und nachhaltig
Überhaupt ist die Kleinteiligkeit ein Riesen Vorteil, denn bei 2.500 Parzellen, die zum Reich der Domäne gehören, gibt es große Unterschiede von Bodenbeschaffenheit, Höhenlage, Hangneigung, Sonneneinstrahlung und vielem mehr. Die Weingartenbesitzer kennen ihre Lagen und Parzellen wie ihre sprichwörtliche Westentasche und können dem entsprechend individuell damit umgehen und ihre Entscheidungen in der Bearbeitung treffen. Generell angestrebt wird eine möglichst nachhaltige Bewirtschaftung und auch hier ist man Vorreiter in der Wachau. Bereits seit dem Jahr 2017 mit dem Nachhaltigkeitszertifikat ausgezeichnet (die gesamte Vinea Wachau folgte 2024) bewirtschaftet man schon heute 160 Hektar biologisch und hat sich zum Ziel gesetzt, sämtliche Flächen so zu bearbeiten. Für die beiden Weinguts-Chefs ist eine Stärkung der Rebstöcke und ihres Immunsystems die logische Antwort auf Herausforderungen, die sich durch Klimaerwärmung und Trockenheit ergeben. Das dazugehörige Maßnahmenpaket umfasst unter anderem den Verzicht auf Herbizide und Insektizide, sanften Rebschnitt, ein Kompost-Projekt, eine eigene Bodenbegrünung für die kargen Steinterrassen und eine gezielte Förderung der Biodiversität in den Weingärten und ihrem Umfeld.


Die pure Wachau als Stilfrage
All das und zahlreiche neue, oder auch wieder zum Leben erweckte traditionelle Methoden im Keller wie Mostklärung durch Sedimentation, Gärung spontan oder mit einer eigenen Wachauer Hefe-Selektion, längere Hefekontakte und Maischestandzeiten, Ausbau in großen Holzfässern und „Backstage“ auch alternativen Behältnissen vom Betonei bis zum Granitfass prägen den neuen Stil der Domäne-Weine. Präzise, filigran, engmaschig und immer ganz nahe am Terroir. Vorbei ist die Zeit der Duftbomben, der Botrytis-Opulenz und des überbordenden Alkohols. Stattdessen herrschen Mineralität, Struktur, Würze und Salzigkeit vor, während die Sorte zugunsten der Lage in den Hintergrund tritt. Vor allem traditionell geschulte Weinfreund:innen wird das vielleicht auf den ersten Schluck verstören, aber das ist bei neuen (Gaumen-)erfahrungen nicht ungewöhnlich. Ich persönlich denke, für Allerweltsweine, die mit Reinzuchthefen und kalter Vergärung über einen Kamm geschert werden, sind die Wachauer Weinrieden ohnehin zu wertvoll. Die Weine der Domäne bringen hingegen die pure Wachau ins Glas, mit einem Charakter, der weitgehend vom Terroir vorgegeben wird. Und ich bin überzeugt, dass sie ein enormes Entwicklungspotenzial haben. Das, was wir beim Reznicek gekostet haben, war erst der Anfang.