Seit dem Jahr 1990 beschäftigt sich Hannes Girrer vom Brauhaus Mariazell mit dem Thema Nachhaltigkeit. Anfangs von Gästen und Kollegen belächelt, ist er heute ein Trendsetter und sein Brauhaus ein Vorzeigebetrieb, was das Nachhaltig Wirten betrifft.
Text und Fotos: Klaus Egle
Erstmals urkundlich erwähnt wurde das Brauhaus Mariazell im Jahr 1673. Nach einer wechselvollen Geschichte, während der Haus und Brauerei auch einmal der Grazer Brauerfamilie Reininghaus gehörte, ist es seit dem Jahr 1914 im Familienbesitz. Der heutige Wirt, Hannes Girrer, wurde über der Gaststube geboren und lebt und arbeitet seither in dem Haus. Bereits vor 30 Jahren begann er sich damit zu beschäftigen, wie man im Wirtshaus sorgsam mit Ressourcen umgehen und so nachhaltig Wirten kann. Seither ist Girrer ein Vor- und Querdenker, der im Zweifelsfall seinen eigenen Weg geht und damit gut gefahren ist. Und das Brauhaus Mariazell ist längst – wieder – eine Institution.
Der Wirtshausführer ist der einzige Gastroführer Österreichs, der „Nachhaltig Wirten“ nach einem umfassenden Kriterienkatalog abfragt und aktuell 356 Wirte mit einem Grünen Herz auszeichnet. Die Wirtinnen und Wirte stehen in der Öffentlichkeit und leisten mit ihren nachhaltigen Aktivitäten in den Bereichen Warenwirtschaft/Produkte, Abfallvermeidung, Klima und Umwelt, Ausstattung/Reinigung sowie Mitarbeiterführung einen entscheidenden Beitrag für den Klimaschutz und den Erhalt unserer Umwelt – den sie gemeinsam mit uns durch das grüne Herz „Wirtshausführer Nachhaltig Wirten“ sichtbar machen.
Herr Girrer, im Jahr 1990 machte man sich über Nachhaltigkeit und sparsamen Umgang mit Ressourcen noch wenig Gedanken. Was hat Sie dazu inspiriert, sich mit diesen Themen zu beschäftigen?
Das hat wohl mit meiner eigenen Geschichte, meinem Umfeld und meiner Erziehung zu tun. Als ich im Jahr 1962 in diesem Haus zur Welt gekommen bin, hatten wir noch nicht einmal fließendes Warm- und Kaltwasser. Da war es damals üblich, dass ältere oder pensionierte Mitarbeiter alle irgendwo im Haus gewohnt haben. Tante, Godl, wer immer. Das waren zwei alte Frauen, geboren 1900 und 1902 und bei denen gab es ein geflügeltes Wort: „Wie hätten wir denn früher getan… wie wir noch keinen Strom oder keinen Kühlschrank hatten?“ Ich kann mich zum Beispiel noch an das Kalkfass im Keller erinnern, wo man die Eier hineingelegt hat, damit sie haltbar bleiben. In diesem Umfeld habe ich gelernt, dass man nicht achtlos Dinge wegwirft, die noch funktionieren oder die man noch brauchen kann. Wir haben die Schulbücher von unseren „Vorgängern“ übernommen und haben auch das G’wand von älteren Geschwistern und Verwandten aufgetragen. Dann kommst Du in den Betrieb hinein und stellst fest, dass man alles mögliche wegschmeißt. Das hat mir nie gefallen und so habe ich mich gefragt: Warum muss das eigentlich sein? Heute ist dieses Wegschmeißen Gott sei Dank so teuer geworden, dass man automatisch mehr darüber nachdenkt.
Mit welchen Maßnahmen haben Sie dann begonnen, ihre Ideen in die Praxis umzusetzen?
Schon seit dem Jahr 1990 gibt es bei uns zum Beispiel von jedem Gericht auch kleine Portionen, das ziehen wir konsequent durch. So gibt es etwa das normale Gulasch mit einem Spiegelei und die kleine Portion mit einem Wachtelei. Die Konsequenz ist, dass der Wareneinsatz sinkt aber der Erlös steigt, einmal, weil wir dadurch viel mehr Vorspeisen verkaufen und andererseits, weil die kleine Portion nur den halben Produkteinsatz erfordert aber zwei Drittel von der großen kostet. Schonender Ressourceneinsatz kann also durchaus wirtschaftlich sein und die Gäste sind zufrieden, weil viele einfach nicht so große Portionen essen wollen.
Oder nehmen Sie unsere verstärkten Papiersackerln für das Flaschenbier, das sich die Leute mitnehmen. Die haben wir seit 23 Jahren – und heute redet man vom Plastiksackerl-Verbot und alle haben eine Freude.
Ebenfalls schon 1996 haben wir das Pfandflaschen-System eingeführt. Das funktionierte zunächst problemlos, weil es auch im Supermarkt viel mehr Pfandflaschen gab. Als die großen Brauereien auf die kleinen 0,33er Flaschen mit Drehverschluss umgestellt haben, die man wegschmeißt, wollten die Leute keinen Flaschenpfand mehr bezahlen. Da habe ich gesagt: Sehen Sie es doch bitte anders: Sie müssen jede Flasche bezahlen, egal ob Sie sie wegschmeißen oder zurückbringen – und bei mit bekommen sie eben den Pfand wieder zurück. Und für mich hat es den Zusatznutzen, dass die Leute oft wieder etwas mitnehmen, wenn sie die Flaschen zurückbringen.
Sie haben darüber hinaus aber auch strukturelle Investitionen im Haus getätigt, die sich heute lohnen?
Im Jahr 1996 haben wir die Brauerei eingerichtet und brauchten dafür eine Kühlung. Statt nun zusätzlich zur Schank und dem Kühlhaus eine dritte Kühlanlage zu installieren, haben wir eine Zentralkühlung im Keller gebaut und Rohrleitungen überall dorthin verlegt, wo die Kühlung gebraucht wird. Das war natürlich sehr aufwändig und auch teuer aber es macht einfach mehr Sinn. Der Kompressor steht im Keller und der wird mit acht Grad kaltem Leitungswasser gekühlt, das dabei auf 45 bis 48 Grad erwärmt wird – das ist dann unser warmes Nutzwasser. Den Dampf aus der Brauerei nutzen wir zusätzlich durch eine Wärmerückgewinnungsanlage für Heizzwecke.
Sie haben ihre eigenen Ideen und die setzen Sie auch um. Kommt das bei den Gästen auch immer gut an?
Als ich 1990 mit diesen Dingen begonnen habe, wurde ich noch vielfach belächelt. Und klar: Wenn man etwas ändert, verliert man immer ein paar Gäste, gewinnt aber andere dazu. Das war auch nach der Eröffnung der Hausbrauerei 1996 so; das war ein anderes Bier und es hatte auch einen anderen Preis. Wir waren damals eine der ersten Hausbrauereien Österreichs. Habe einige verloren, die Bier trinken müssen und andere gewonnen, die Bier trinken wollen. Ein anderes Beispiel: Wir haben Gulasch auf der Karte aber keine Semmeln. Weil es in Mariazell keinen Bäcker gibt und ich keine Teiglinge aufbacken will, dafür servieren wir eben Erdäpfel. Auch das Schnitzel gibt es ausschließlich vom Kalb und Pommes frites und Cola werden sie bei uns ebenfalls nicht finden. Das wird von unseren Gästen – manchmal nach einer kleinen Schrecksekunde – größtenteils sehr positiv aufgenommen. Und wenn es einmal Beschwerden gibt, dann gehe ich zum Tisch und erkläre den Leuten, warum wir das so machen. Eine gute Gelegenheit übrigens um mit den Gästen ins Gespräch zu kommen.
Eine Ihrer neuesten Errungenschaften ist der zertifizierte Bio-Strohhalm. Eine gute Alternative zum Plastikhalm aber ziemlich teuer, oder?
Wenn man bei uns ein Kindergetränk mit diesem Strohhalm serviert und sagt „damit die Kinder einmal wissen, woher der Name Strohhalm kommt“, dann zerfließen die Eltern, weil die auch seit 30 Jahren keinen Strohhalm mehr gesehen haben. Für diesen Halm, der übrigens von österreichischen Bauern hergestellt wird, brauchten wir sogar eine gutachterliche Stellungnahme, damit wir ihn verwenden dürfen. So ein Strohhalm kostet vielleicht 60 Cent, das verbuche ich unter „Werbeausgaben“, weil eine bessere Werbung kann man gar nicht machen.
Ihr Betrieb war auch mehrere Jahre bio teilzertifiziert, warum heute nicht mehr?
Das hat mehrere Gründe, es gab zu viel Bürokratie und zum Teil schikanöse Kontrollen. Ein Beispiel: Ich wollte unser Bier auf bio umstellen. Ein langjähriger Freund und pensionierter Braumeister versorgt mich seit vielen Jahren mit Hopfen. Ich wollte Hallertauer Tradition, meinen Hopfen, in bio. Der war schwierig zu beschaffen und kostete auch das Dreifache vom normalen. Er kauft also mit seiner kleinen Firma den Hopfen für mich, ich kaufe ihn bei ihm. Weil sein Betrieb aber nicht bio-zeritifiziert war, durfte ich das dann nicht als Bio-Bier deklarieren… Ich wollte dann aber auch das Brauhaus nicht voll bio-zertifizieren lassen. Ich möchte keine spanischen Bio-Tomaten kaufen, weil zu der Zeit in Österreich keine verfügbar sind. Da ist mir die Regionalität und Saisonalität wichtiger. Ich mache aber genauso weiter, wie wenn ich bio-zertifiziert wäre – nicht, weil das ein Geschäft ist, sondern weil ich es so will.
Noch eine Frage zu Ihrem Bier: Das hat ja einen sehr speziellen Geschmack und wird auch besonders gebraut, oder?
Wir machen im Brauhaus seit jeher Craft-Bier, lange bevor der Begriff erfunden wurde und ich wage zu sagen: Ich bin einer der wenigen echten Craft Beer-Brauer in Österreich. Alles, was in einem großen Bier-Store steht, ist für mich kein Craft Beer. Wir haben hier kein Rührwerk, kein Hackwerk, keine Computersteuerung. Wir rühren mit dem Kochlöffel um und machen die Kugelhähne von Hand auf und zu. Was sehr speziell ist: Ich braue das Bier zwar aus Gerstenmalz, vergäre es aber mit derselben Hefe, die man sonst für Weißbier nimmt. Wenn man mich fragt, was ich für Bier mache, sage ich immer: Ich mache Girrer-Bier – das ist nicht einzuordnen.