Seit 500 Jahren steht das historische Gebäude am Fuße des Pötschenpasses, im Jahr 1644 wird der „Agathawirt“ erstmals urkundlich als „Schenke“ erwähnt. Der Salzhandel brachte den Wohlstand in die Region um Bad Goisern, und der Agathawirt nahm als Wechselstation für die Pferde der Postkutschen seit jeher eine wichtige Rolle ein. Seit 200 Jahren ist das Haus im Besitz der Familie Schenner, die bereits vor zwei Jahrzehnten auf sanften und nachhaltigen Fahrradtourismus gesetzt hat. Inzwischen genießt das von Andrea Schenner und ihrem Partner, Bernhard Weissenhorn, sehr familiär geführte Haus dafür auch international einen ausgezeichneten Ruf. Die E-Biker und „Bio-Biker“ kommen aus halb Europa hierher und lassen sich in den gemütlichen Stuben oder im schönen Gastgarten des Landhotels nach getaner Tat mit Speis und Trank so richtig verwöhnen.
Interview: Klaus Egle, Fotos: Elisabeth Egle
Diese Interview-Serie zum Thema „Nachhaltig Wirten“ ist eine Kooperation von Wirtshausführer und METRO Österreich, das die Nachhaltigkeit als vorrangiges Unternehmensziel festgeschrieben hat. Gemeinsam stellen wir Wirte vor, die in vorbildlicher Weise Nachhaltigkeit täglich leben, in einer Branche, die mehr als andere im Blickfeld der Öffentlichkeit steht. So machen wir ihre nachhaltigen Initiativen sicht- und nachvollziehbar.
Ich liebe dieses alte Haus und viele unserer Gäste lieben es auch.
Das Salzkammergut hat sich mit seiner spektakulären Landschaft und seinen 1.100 Kilometer beschilderten Mountainbike-Strecken zu einem Eldorado für Radurlauber entwickelt. Sie sind als „Bike Hotel“ auch Mitglied des Salzkammergut Mountainbike Kompetenzzentrums. Spätestens wenn man bei Ihren beiden Fahrrad-Garagen mit den Aufschriften „E-Bikes“ und „Bio-Bikes“ vorbeikommt, stellt sich einem die Frage: Was bitte ist ein „Bio-Bike?“
Andrea Schenner: Als immer mehr E-Biker zu uns kamen, haben wir für die eine eigene Garage mit Ladestationen eingerichtet. Und bei den Reservierungen fragten wir immer ab, mit welchen Rädern die Gäste kommen werden: „E-Bike“ oder „normales Rad“? Das führte dazu, dass sich die Fahrer von „normalen“ Rädern neben den E-Bikern irgendwie immer so abqualifiziert fühlten, nach dem Motto „wir fahren nur normale Räder“. Dann haben wir die normalen Räder in „Bio-Räder“ umbenannt, die jetzt in der „Bio-Garage“ stehen. Das ist viel besser, weil es die, die selber treten, total aufwertet!
Fast 400 Jahre Wirtshaus in einem 500 Jahre alten Gebäude, das ist doch allein schon nachhaltig oder…?
Andrea Schenner: So ein altes Haus hat natürlich viele Nachteile, alles ist immer kompliziert, zum Beispiel die Installationen. Es kann aber bei unseren Steinmauern auch schon ein Problem werden, wenn Du nur ein Bild aufhängen willst. Aber auf der anderen Seite liebe ich dieses alte Haus und viele unserer Gäste lieben es auch.
Man braucht aber neben der Liebe auch die Ressourcen um in einem so alten Haus zu bleiben und zu wirtschaften. Lohnt es sich dennoch?
Andrea Schenner: Natürlich kostet die Erhaltung auch Geld. Hier ist alles individuell, Möbel von der Stange kann man nirgends hineinstellen. Aber es ist auch so, dass die alten Möbel, die alten Türen und die ganze historische Bausubstanz heute von den Gästen mehr geschätzt wird als noch vor 15 oder 20 Jahren. Das gilt ganz besonders auch für jüngere Gäste, die diese besondere Atmosphäre mögen. Für uns eine schöne Bestätigung und das motiviert uns dann auch wieder, so weiter zu machen.
Wie wirkt sich euer nachhaltiges Denken in der Küche aus – zum Beispiel bei Produktauswahl und Herkunft?
Andrea Schenner: Wir haben derzeit eine eher kleine Karte, was auch dem Mitarbeitermangel geschuldet ist aber dafür ganz viele regionale Produkte. Ein wichtiger Partner ist zum Beispiel die Fischerei Ausseerland mit fantastischen Fischen, die Familie Eisl mit dem Schafkäse oder die Enten und Hähne von den „Eiermachern“ in Kremsmünster. In diesen schwierigen Zeiten fallen mir da zwei Dinge positiv auf: Erstens die Verfügbarkeit der Produkte und zweitens die fairen Preise. Diese Produkte waren nie billig aber jetzt gibt es zwar Preissteigerungen, aber in einem moderaten und üblichen Rahmen. Der Grund ist sicher auch, dass diese Betriebe überschaubare Familienbetriebe sind, die sich loyal zu ihren Stammkunden verhalten.
Die Logistik ist für uns hier natürlich immer der Knackpunkt.
Andrea Schenner
In der Küche des Agathawirts gibt es einen Schwerpunkt mit vegetarischer Küche. Warum, und ist vegetarische Küche generell nachhaltiger?
Andrea Schenner: Das wird von den Gästen ganz einfach nachgefragt und wir hatten lange einen Küchenchef, der sich sehr intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt hat. So haben wir damit angefangen und pflegen das nach wir vor. Die Gäste schätzen das, vielleicht auch deshalb, weil man sich ein Stück Fleisch schnell selbst abbraten kann, während die vegetarische Küche oft durchaus aufwändig in der Zubereitung ist.
Wie kommt ihr hier am Land generell zu euren Produkten?
Andrea Schenner: Die Logistik ist für uns hier natürlich immer der Knackpunkt. Darum brauchen wir neben regionalen Lieferanten auch immer einen Großhändler – ohne den geht es nicht. Wir waren da schon vor Jahren mit METRO im Gespräch aber damals haben sie nur einmal in der Woche hierher geliefert, das war für uns zu wenig. Inzwischen liefert METRO mehrmals wöchentlich – und wir sind wieder im Gespräch. Generell kaufen wir aber schon auch bei METRO ein. Das Fischsortiment ist immer super, ebenso auch das Fleischsortiment und genauso die Käseauswahl, da ist METRO deutlich besser als viele andere. Gelegentlich, wenn es sich ergibt oder mich etwas speziell interessiert oder ich etwas brauche, schaue ich auch selbst beim METRO Markt in Salzburg vorbei. Wir sind 65 Kilometer von Salzburg weg, darum sind wir nach Salzburg orientiert und nicht nach Linz.
Aus meiner Sicht sind die Schlüsselstellen noch einfacher zu besetzen. Das sind bei uns lauter Leute aus der Region, das ist wichtig, wenn man will, dass sie lange im Betrieb bleiben. Dann muss man sich natürlich bemühen, ein guter Arbeitgeber zu sein. Das bedeutet auch eine gewisse Flexibilität bei der Erstellung der Dienstpläne und Arbeitszeiten.
Wie wird bei Ihnen Nachhaltigkeit auch außerhalb der Küche gelebt: Abfallvermeidung, Verpackungsreduktion, Umlauf-Verpackungen wie Steigen etc.?
Andrea Schenner: Da hat uns Corona einen ganz schönen Strich durch die Rechnung gemacht. Vor Corona hatten wir zum Beispiel beim Frühstücks-Buffet überhaupt keine Einzelverpackungen, dann musste alles in Einzelverpackungen und jetzt haben wir gerade besprochen, dass wir das wieder umstellen werden. Das war notwendig, sonst hätten wir entweder jemand gebraucht, der alles ausgibt oder wir haben es auch mit Einweghandschuhen versucht, was ein Unsinn war, weil da hatten wir dann unglaublich viele Einweghandschuhe zum Wegwerfen. Bei den Lieferanten, wie beim Gemüsehändler, verwenden wir Mehrwegverpackungen aber es kommen natürlich auch viele Einweg-Verpackungen rein, das lässt sich kaum verhindern.
Sanfter Tourismus wie Radfahren und Wandern steht beim Agathawirt im Mittelpunkt. Was bieten Sie Ihren Gästen an, damit sie ihren Aufenthalt umweltschonend gestalten können?
Andrea Schenner: Unser Angebot reicht von der E-Tankstelle für’s Auto bis zu denen für die E-Bikes. Dann haben wir schon seit Jahren eine Solaranlage für das Warmwasser und jetzt installieren wir gerade auf allen Dächern Photovoltaik-Anlagen um einen Teil des Stromes, den wir brauchen, selbst produzieren können.
In anderen Branchen sehe ich die Personalprobleme gravierender.
Wir wird sich die Situation in der Gastronomie aus Ihrer Sicht weiterentwickeln?
Andrea Schenner: Es wird sicher massive Veränderungen geben. Einerseits werden die Lokale, die voll auskochen, weniger werden und die Preise werden deutlich steigen – das wird sich dann nicht mehr jeder jederzeit leisten können.
Andererseits werden neue Formen entstehen bis hin zu SB-Restaurants, wo man sich das Essen und Trinken selbst holt. Und in der Hotellerie wird der Trend noch mehr in Richtung Appartements gehen, wo man kaum Personal braucht, das man ja auch nicht bekommt. Ich sehe da schon große Umstrukturierungen aber ich finde das nicht so schlimm. Dann kocht man halt im Urlaub selbst und geht nur gelegentlich essen, wenn man sich das leisten kann und will.
Das Personalproblem betrifft ja nicht nur die Gastrobranche.
Andrea Schenner: In anderen Branchen sehe ich die Probleme gravierender: Wenn ich in einem Notfall einen Installateur brauche und es keinen verfügbaren gibt, dann ist das schlimmer. Ich verstehe darum nicht ganz, warum die Medien gerade das Personalproblem in der Gastronomie so hochspielen. Einen Vorteil hat diese mediale Präsenz allerdings auch: Wenn ich heute aus Personalmangel zum Beispiel einmal nur für Hausgäste koche oder eine kleinere Karte habe, dann muss ich das gar nicht erst lange erklären, weil die Gäste schon voll informiert sind und meinen „ja, der Personalmangel, klar, das passt schon!“