Vorarlberger Walgau: Die Weine von der Sonnenseite

Wer seine Gäste mit Wein-Geheimtipps überraschen will, braucht nicht in exotische Länder zu fliegen. Eine Bahnfahrkarte nach Bludenz oder Feldkirch reicht dafür auch, denn dazwischen entstehen an den sonnigen Hängen des Walgaus erstaunlich gute Rebensäfte.

Redaktion: Klaus Egle

Eine Weinbeschreibung die mit den Worten „das hätte ich mir nicht gedacht“ beginnt, führt meistens schnurstracks in den Abgrund der Grauslichkeit. Bei den Weinen der drei Walgau-Winzer Robert Gohm, Raimund Dünser und Dietmar Gohm war das jedoch ganz anders. Dabei begann die Geschichte durchaus kurios, denn die Kostproben kamen in einem Karton meines Freundes und Top-Winzers Anton Bauer aus Feuersbrunn zu mir. Ein Anruf erhellte die Zusammenhänge. Die verbindende Klammer zwischen Toni Bauer und den Vorarlberger Winzern ist, wie könnte es anders sein, der Bergkäse, den sich Toni regelmäßig von der formidablen Sennerei Schnifis liefern lässt. Irgendwann gingen bei der Überfuhr ein paar Flaschen Wein mit und die Walgau-Winzer erbaten sich eine Beurteilung durch einen fernen Wein-Experten der nicht neben ihrem Gartenzaun wohnt und mit dem sie nicht verwandt oder verschwägert sind. 

Der Walgau und ich

Immerhin bin ich Vorarlberger und zu einem Landsmann hat man halt Vertrauern, selbst wenn dieser seit bescheidenen 38 Jahren expatriiert ist. Jedenfalls hätte ich mir in meiner Jugend, die ich in Mariagrün mit herrlichem Blick in den Walgau und das Vorarlberger Oberland verbracht habe, auch nicht gedacht, dass ich von dort jemals einen Wein kosten würde. Denn damals erlebte der Wein in Vorarlberg, vorsichtig gesagt, nicht gerade seine Hochblüte. Dabei war einmal alles ganz anders, denn um das Jahr 1850 gab es in Vorarlberg 400 bis 500 Hektar Rebflächen. Doch von da an ging es unter anderem durch Missernten und neue Arbeitsmöglichkeiten in der Textilindustrie stets bergab, ehe die Reblaus in den 1880er Jahren den Vorarlberger Weinbau praktisch vollständig zum Erliegen gebracht hat. Die Fertigstellung der Arlberg-Bahn im Jahr 1884 ermöglichte zeitgleich die günstige Einfuhr von guten Weinen aus Südtirol, was ein Comeback des Vorarlberger Weines für lange Zeit verhindert hat.

Weinfest auch ohne Wein

Feldkirch etwa, wo sich zu meiner Schulzeit am Ardetzenberg der einzige Weingarten im weiten Umkreis befand, war einst ein bedeutendes Weinanbau- und Weinhandelszentrum, die Gunstlagen rund um die Innenstadt wie Ardetzenberg und Blasenberg waren komplett mit Weinreben bewachsen. Es ist der Beharrlichkeit und dem guten Durst der Alemannen zuzuschreiben, dass sich in Feldkirch schon in der damals praktisch weinlosen Zeit und bis heute ein dreitägiges Weinfest (Wi-Fäscht) erhalten hat, das die ganze Marktgasse einnimmt. Daneben gab es in meiner näheren Umgebung damals aber nur noch einige wenige Indizien von der einstigen Bedeutung des Vorarlberger Weinbaus wie das Restaurant Torggel in Röthis mit seiner mächtigen Weinpresse, das Weinhaus Bonner in Feldkirch oder die Alte und Neue Weinstube in Frastanz. Heute ist die Weinkultur in vielfältiger Weise in die Montfortstadt zurückgekehrt, nicht zuletzt auch durch die hochkarätige, dreitägige Weinmesse Vinobile, die hier alljährlich stattfindet.

Eine lange Geschichte

Irgendwann und sicher auch befeuert durch den Klimawandel begann das zarte Pflänzchen des Vorarlberger Weines nach und nach wieder zu sprießen. Pioniere waren etwa Franz Nachbauer in Röthis, der schon vor dreißig Jahren Bioweinbau im Vollerwerb betrieben hat oder der gebürtige Weinviertler Josef Möth, der in den 80iger Jahren als erster Grünen Veltliner am Bodensee kultiviert und am Fuße des Gebhardsberges einen authentischen Heurigen eröffnet hat. Inzwischen gibt es in Vorarlberg wieder rund 20 Hektar Weingärten unter anderem jene der drei Walgau-Winzer in Düns, Röns und Bludesch am Eingang zum Großen Walsertal. Der Weinbau hier wurde im sogenannten Churrätischen Reichsurbarbereits im 9. Jahrhundert urkundlich erwähnt und war bis ins 19. Jahrhundert durchaus von Bedeutung. Auf einer Seehöhe von 480 bis 720 Metern stehend, lachen die Rebstöcke heute in Richtung Südwesten der Sonne entgegen, werden ausschließlich händisch bearbeitet und im Einklang mit der Natur gepflegt. Den Reben gefällt das offenbar, das merkt man den Weinen einfach an.

Zack – ist die Flasche leer

Unser Einstiegswein ist der Müller-Thurgau 2022 von Raimund Dünser aus der Riede Weinberg Jordan Bludesch. Eine Sorte, die nicht unbedingt im Trend liegt, dem entsprechend ist unsere Erwartungshaltung überschaubar, doch siehe da: Ein trinkfreudiges Tröpferl, leicht und beschwingt, mit feiner, zarter Frucht von gelben Äpfeln bis Flieder in der Nase, animierender, reifer Säure, feingliedriger Struktur und gutem Biss. Das macht einfach Spaß. Ebenfalls die feine Klinge führt Dünsers Grüner Veltliner 2022, der auch vom Weinberg Jordan stammt: Feine Würze in der Nase, etwas Holunderblüten, weißer Pfeffer und gelbe Paprika aber auch Stachelbeeren, Minze und kühle Zitrusnoten in der Nase, frisch und saftig am Gaumen mit einem lebendigen Säurespiel. Ein animierend-leichtes Trinkvergnügen aber durchaus mit Anspruch und: Zack – ist die Flasche leer.

Wein vom Pfarrhofbühel

Einen Abstecher ins Exotische unternehmen wir mit dem Cabernet Blanc 2022 von Robert Gohm. Der ist von der Struktur her größer angelegt, kommt mit 13 Prozent Alkohol auch breitbeiniger daher und fordert durchaus Aufmerksamkeit ein. Kühl, pfeffrig und würzig in der Nase mit Anklängen von Vanilleschoten und am Gaumen saftig, fruchtsüß und rund mit cremiger Textur und einem Hauch von Gerbstoff, der den Trinkfluss immer schön im Gang hält. In internationale Gefilde begeben wir uns mit dem Chardonnay 2022 von Dietmar Gohm von einer Riede mit dem wohlklingenden Namen „Pfarrhofbühel Düns“. Die Kirche war ja über die Jahrhunderte ein Träger und Wegbereiter des Weinbaus in Europa, mit dem großen Startvorteil, dass die Mönche und Priester schreiben und so ihre Erkenntnisse bewahren und weiter entwickeln konnten. Doch zu unserem Wein aus Düns: Saftig, fruchtsüß und vollmundig kommt er daher, mit cremiger Textur und tonangebender Mineralität, ein absolut kompletter Wein mit tollem Trinkfluss und schöner Länge. Gut, dass „Produkt aus dem Walgau“ auf dem Etikett steht, man hätte ihn sonst glatt auch an der Loire verorten können. 

Mit ein bisserl Luft

Den Abschluss bildet meine rote Lieblingsrebsorte, der Pinot Noir, in dem Fall ein 2021er aus dem Wingert Röns, gekeltert von Dietmar Gohm. Der zeigt in der Nase eine typische Frucht von süßen Walderdbeeren ebenso wie Sandelholz und im Hintergrund zart rauchige Aromen. Am Gaumen geriert er sich vorerst eher bockig, mit einer recht widerborstigen Säure. Aber er ist auch recht kühl und frisch aufgemacht, also ab damit in die Karaffe und einen „Zwischenwein“ derselben Sorte geöffnet. Eine Stunde Luft tut ihm gut, jetzt ist alles schön im Einklang, der feinkörnige Gerbstoff, die frische Säure, die kühle Aromatik von Minze und eine feine Frucht dazu. Sicher noch sehr jugendlich und rassig aber der darf auch ruhig noch ein paar Jährchen reifen.

Darauf kommt es angesichts der jahrhundertelangen Vorarlberger Weinbautradition aber jetzt auch nicht an. 

Die Walgau-Winzer

Kontakt: Dietmar Gohm, Mühleweg 108, 6822 Düns, Tel. 0664/5121822, Mail: dietmar_gohm@hotmail.com