Methusalem-Weine: Tot geglaubte leben länger!

Zwei Wein-Fundstücke aus einem alten Keller in der Nachbarschaft. Ausgegraben von einer Freundin und einfach so zum Spaß mitgebracht, mit der Frage: Kann man das noch trinken? „Kaum“, urteilte ich als Experte und holte schon mal den Korkenzieher…

Erster Akt: Riesling 1998 Federspiel!


Von den Freien Weingärtnern Wachau (heute: Domäne Wachau), der Vorzeige-Genossenschaft in Dürnstein. Mit einem schönen Aquarell-Etikett des damaligen Geschäftsführers und bekannten Wachau-Malers Willi Schwengler und gerade einmal 11,5 Prozent Alkohol. Was wissen wir über die Kategorie Federspiel? Leichte, fröhliche Zechweine, zum baldigen Konsum bestimmt. Soweit die Erwartungshaltung beim Öffnen der Flasche, wenn man das so nennen kann…

Goldgelb aber glasklar fließt der Wein ins Glas. Dann der Duft, der erinnert ein bisschen an deutsch Rieslinge, ja, aber eindeutig Riesling, eindeutig erkennbar, ein Hauch von Petrol, aber im Grunde perfekt gereift und durchaus ansprechend und einladend. Am Gaumen dann natürlich schlank aber ganz präzise, mit einer knackigen aber durchaus nicht unangenehmen Säure und sogar noch einer beachtlichen Länge. „Das kann man durchaus trinken – und es ist sogar ein sehr schon gereifter Riesling“, lud ich meine skeptisch dreinschauenden Freunde zum Kosten ein. Fazit: Es gab niemand, dem dieser Wein nicht sehr gut schmeckte und es war tatsächlich ein Vergnügen die Flasche zu leeren.

Zweiter Akt: Steirischer Muskateller 1990

Vom Weingut Jochum in Greisdorf, St. Stefan ob Stainz. Den Betrieb gibt es nach wie vor, auch das ebenfalls am Etikett erwähnte Gasthaus, sehr schön gelegen und mit wunderbaren Backhendln. Aber Ein Muskateller, fast dreißig Jahr alt, mit heißen 11,6 Prozent Alkohol? Der Papierform nach längst tot, aber im Glas bei weitem nicht. Die Sorte muss man sich anfangs ein bissl dazudenken, doch mit etwas Luft blitzt tatsächlich noch ein Hauch von Muskateller-Frucht in der Nase auf. Nicht so typisch wie der Riesling aber viel, viel mehr, als man erwarten hätte können.

Am Gaumen hat der Wein dann eine feste Struktur, ist blitzsauber und hat die Säure ebenfalls gut im Griff. Nicht nur aus Respekt vor dem Alter ein Methusalem, der tatsächlich noch mit Genuss zu trinken ist und noch dazu einen schönen Begleiter zu unserer Jause aus Räucherforelle vom Haimel, allerlei feinen Saucen und einem schönen Käsebrett bestand.

Was haben wir also gelernt?

Weine müssen nicht unbedingt 14 Prozent Alkohol oder einen deutlichen Restzucker haben um Jahrzehnte überdauern zu können. Und: Wer immer diese beiden Weine vinifiziert hat, er hatte reifes Traubenmaterial zur Verfügung und hat im Keller absolut sauber gearbeitet. Danke dafür und für den damit verbundenen Lern-Effekt!