Kurv’nbräu: Der Bauer als Brauer

Der gelernte Bilanzbuchhalter Roland Nestler macht mit seiner Kleinbrauerei „Kurv’nbräu“ im nördlichen Weinviertel Furore.

Redaktion: Elisabeth Egle, Klaus Egle, Fotografie: merkenswert.at

Roland Nestler ist Facharbeiter für Landwirtschaft, Facharbeiter für Weinbau und geprüfter Bilanzbuchhalter. Heute braut er Bier, in Enzersdorf bei Staatz, ganz oben im Weinviertel. Schauplatz ist das ehemalige Wirtshaus seiner Eltern, das er übernommen hat, direkt an der markanten, namensgebenden Kurve, auf der man elegant den Staatzer Bahnhof umfährt. Im Jahr 2014, nach dreizehn Jahren im Büro, hatte er genug vom Einen und Lust auf etwas Neues. Also hat er sich überlegt, was es hier nicht gibt und kam auf die Idee, mitten im Rebenmeer des Weinviertels Bier zu brauen. Das ist inzwischen Kult. Mit Mut, Können und Ideenreichtum kreiert Nestler immer wieder neue Biere für seine große Fangemeinde, mit der er an der Schank, im Bier-Heurigen oder via Facebook Kontakt hält. Außerdem betreibt er noch eine Landwirtschaft – biologisch und „als Ausgleich“.

Wenn ich das Bier das erste Mal koste und es ist so geworden, wie ich es mir vorgestellt habe, dann ist das schon ein schöner Moment.

Bier brauen im Weinviertel, das klingt schon ein bisschen verrückt. Wie kamen Sie darauf?

Die ersten Gehversuche machte ich schon vor 15 oder 20 Jahren – mit dem Kochtopf am Herd. Bier hat mir geschmeckt und ich dachte mir, ich versuche es einmal selbst zu brauen. Und als ich dann meinen Job an den Nagel gehängt habe, wollte ich etwas machen, das es hier nicht gibt. Also habe ich eine Landkarte genommen und geschaut, wo ich Kleinbrauereien finde – und da war fast das ganze Weinviertel ein ziemlich großer, weißer Fleck. Da, wo Wein getrunken wird, da wird auch Bier getrunken – das war meine Überlegung.

Die offensichtlich richtig war…

Ja, die Nachfrage wird immer größer und unsere kleine Brauerei ist Schritt für Schritt mitgewachsen. Da einmal ein Tank, dann nochmals zwei kleine Tanks, dann wieder ein Tank, wo halt Platz war. Das bedeutet natürlich ein sehr umständliches Arbeiten, weil alles irgendwo ist.

Und was würden Sie heute anders machen?

Könnte ich mit dem heutigen Wissen nochmals von vorne anfangen, würde ich die Brauerei doppelt so groß machen – und alles in einer Ebene bauen.

Sie sind ja sehr kreativ beim Brauen, wie entsteht denn die Idee für ein neues Bier?

Unsere neueste Kreation ist ein Himbeer-Weizenbier. Da habe ich die Ausbildung zum Biersommelier gemacht und bei Axel Kisbye, dem Braumeister der Trumer Brauerei in Obertrum ein belgisches Himbeer-Weizenbier gekostet, das mir super geschmeckt hat. Dann  habe ich Kontakt mit Hannes Hummel aufgenommen, der mit mir gemeinsam in der Gardemusik beim Bundesheer war und einen Bio-Beerenhof in Loosdorf hat. Von dort kommen die Himbeeren darum habe ich auch gleich unser erstes Bio-Bier gebraut; und beschlossen, dass ich jetzt gleich die ganze Brauerei auf bio umstelle.

Und so ein Bier gelingt dann auf Anhieb?

Das ist natürlich ein Prozess, wobei ich zuerst „Prototypen“ mit 20 Litern mache. Manchmal passt es sofort, ein anderes Mal ist es „learning by doing“. Zum Beispiel habe ich jetzt erstmals Sauerbier probiert. Die ersten zwei Versuche konnte ich gleich wegschütten, beim dritten hat es jetzt gepasst.

Bei uns ist die gesamte Produktion Handarbeit, die auch ihren Preis hat.

Es gibt eine Varianz beim Geschmack; der Hopfen ist nicht jedes Jahr gleich, die Gerste auch nicht – und das schmeckt man dann auch in meinen Bieren. Ein Bier, das auf der ganzen Welt verkauft wird, muss auch überall gleich schmecken – dieses Problem habe ich Gott sei Dank nicht. Außerdem werden die Biere nicht erhitzt und halten darum maximal vier Monate. Man muss sagen: Bier ist ein Frischeprodukt, das wissen die wenigsten. Bier gehört jung getrunken, dann hat es den optimalen Geschmack. Außerdem ist bei uns die gesamte Produktion Handarbeit, die auch ihren Preis hat. Manche finden unsere Biere zu teuer, bedenken aber nicht, wieviel Arbeit da drinnen steckt. Wir können zum Beispiel maximal 200 Flaschen in der Stunde füllen, eine große Brauerei füllt 20.000.

Sie betreiben ja auch noch eine Landwirtschaft, ebenfalls biologisch. Was ist die Motivation dafür?

Die Landwirtschaft lässt sich neben der Brauerei arbeitstechnisch gut bewältigen – das ist für mich Ausgleich. Wenn ich auf dem Traktor sitze, dann drehe ich das Radio auf und habe meinen Spaß. Auf bio wollte ich schon lange umstellen aber die Eltern waren zuerst strikt dagegen und haben gesagt, sie gehen dann nichts „scheren“ und helfen mir nichts. Die kennen diese viele Arbeit noch von früher, aber mit der heutigen Technik hat man das auch ohne Probleme im Griff; man muss nur zum richtigen Zeitpunkt mit dem richtigen Gerät am richtigen Platz sein. Und jetzt kriege ich von meinen Eltern auch die Bestätigung, die finden, dass es jetzt echt super und viel weniger Arbeit ist. Sie sagen sogar: Da hätten wir doch viel früher umstellen sollen!


Ist bio also „back to the roots“?

Für mich ist es ein ganz anderes Arbeiten: Früher brauchtest Du dauernd Spritzmittel, die immer teurer wurden und die Preise für die Produkte wurden immer niedriger. Jetzt ist es ganz anders: Wir haben wieder mehr Bezug zum Boden, schauen uns das genau an, wie der Boden beschaffen ist und was er braucht und die Kinder rennen im Weizenfeld herum – das wäre früher alles nicht gegangen.

 Was hat sich in Ihrem Leben dadurch geändert, dass Sie zum Brauer wurden?

Ich war schon sehr blauäugig, was den Arbeitsaufwand betrifft. Für Familie, Kinder, Freizeit bleibt nicht so viel Zeit übrig… aber es gibt auch ruhigere Zeiten im Jahr wie Jänner und Februar und im August machen wird dann auch mal Urlaub. Auf der anderen Seite bin ich aber immer zu Hause. Würde ich nach Wien auspendeln, wäre ich den ganzen Tag weg von fünf bis sieben… so essen wir gemeinsam jeden Tag zu Mittag und ich bin immer da wenn was los ist. Dafür arbeite ich halt dann am Samstag oder mache am Abend noch die Buchhaltung und den Bürokram… das war früher mein Job aber jetzt mag ich das echt überhaupt nicht mehr!

Und wer sind die Menschen, die euer Bier gern trinken?

Es gibt welche, die trinken unser Bier gerne hier im Lokal, andere holen es sich lieber ab und trinken es zu Hause. Jedenfalls stelle ich fest, dass es immer mehr junge Leute gibt, die sich für unser Bier interessieren, weil die einfach für etwas Neues aufgeschlossen sind und da ist der Preis dann eher zweitrangig. Es gibt auch Feste, wo es dann eine „Seidl-Bar“ gibt, wo man unsere Biere durchkosten kann.


Was darf man sich in Zukunft vom Kurv’nbräu erwarten?

Bei uns gibt es jedes Jahr neue Biere. Natürlich gibt es ein paar Standard-Sachen aber da kann sich auch immer mal wieder was ändern, wenn mir wieder etwas Neues einfällt und ich probiere es aus und es gefällt mir besser. Man entwickelt sich immer weiter, das macht mir Freude, immer wieder etwas Neues auszuprobieren. Fermentieren ist ebenfalls ein Thema, mit dem ich mich noch beschäftigen möchte – fermentierte Limonaden wären zum Beispiel etwas, das ich gerne machen würde.

Diese Interview entstand in Koopperation mit der Plattform Weinviertel DesignHandwerkWirtschaft.

Kurv’nbräu Nestler
ROLAND NESTLER
Bahnhof Staatz 1
2134 Enzersdorf bei Staatz
kurvnbraeu@a1.net
Tel.: 02524 / 2136
Mobil: 0676 / 4060080
www.kurvnbraeu.at