Klaus Egles Wein der Woche: Zierfandler 2020 Ried Spiegel, Johanneshof Reinisch

Der Zierfandler Ried Spiegel 2020 vom Weingut Johanneshof Reinisch in Tattendorf bringt den ganzen Glanz und die Fülle, die mit der Herkunft Gumpoldskirchen einst verbunden war, in ein Weinglas.

Ich mag es sehr, wenn ein Wein nicht einfach nur vor mir im Glas dümpelt, sondern auch eine Geschichte erzählt. Die Geschichte dieses Weines ist wohl so lang wie die des einstmals (welt-)berühmten Weinorts Gumpoldskirchen. Aber keine Angst. Ich werde zwischen der Begründung des Freiguts Thallern durch die Zisterziensermönche aus Heiligenkreuz im Jahr 1141 und dem gegenständlichen Jahrgang 2020 ein paar Kapitel auslassen. Nur eines ganz kurz zur „Frühgeschichte“. Die Zisterzienser hatten, ebenso wie die Ordensbrüder anderer Klöster und Stifte, die späterhin ihre Weinlesehöfe in Gumpoldskirchen begründeten, wie etwa das Weingut des deutschen Ritterordens oder den Melkerhof, einen unglaublichen Vorteil. Denn nicht nur teilten sie sich die Grundherrschaft mit dem Adel, sie konnten auch schreiben und damit ihre Erkenntnisse über den Weinbau sammeln und weitergeben. Aus diesem Zusammenspiel ergab es sich, dass die Mönche sehr gut darüber Bescheid wussten, wo sie es mit dem Weinbau versuchen und welche Reben sie wo hinsetzen sollten. 

Das Beste aus zwei Welten

Jetzt sei mir ein kleiner Sprung in näher gelegene Jahrhunderte erlaubt, wobei ich gleich an die Bedeutung der Lagen anknüpfe. Die Rieden gleich oberhalb des Schlosses des Deutschen Ritterordens, nämlich Spiegel, Wiege und Braun zählen seit jeher zu den besten und wertvollsten von Gumpoldskirchen. Karge Böden sorgen hier für Struktur und die höhere, der Sonne und dem Wind ausgesetzte Lage ermöglicht es, die Trauben lange hängen zu lassen, wodurch auch späte Sorten wie Zierfandler und Rotgipfler voll ausreifen. Die Riede Spiegel ist heute eine Monopollage des renommierten Weinguts Johanneshof Reinisch in Tattendorf. Der viel zu früh verstorbene Wein-Pionier der Thermenregion, Johann Reinisch und seine drei Söhne, die den Betrieb heute leiten, haben sich zunächst mit ihren Rotweinen aus dem Tattendorfer Steinfeld, allen voran St. Laurent und Pinot Noir, einen Namen gemacht. Sehr früh haben die Reinischs aber auch das Potenzial der Gumpoldskirchner Lagen erkannt und dort Weingärten erworben, sodass sich in ihrem Weingut inzwischen das Beste aus zwei (Wein-)welten findet.

Komplexität und große Statur

Der Zierfandler Ried Spiegel 2020 ist jedenfalls ein hervorragender Beweis für die Richtigkeit dieser Entscheidung und ein wahrer Paradewein mit fantastischer Komplexität und großer Statur. Goldgelb funkelt er im Glas mit einer unglaublichen Duftfülle von reifen, gelben Äpfeln, Aranzini, frischem Baguette, rosa Grapefruit und Ananas – einfach herrlich, was diese Sorte für Aromen hervorbringen kann. Am Gaumen vollmundig und stoffig, Bittermandeln, feinkörniger, schön eingewobener Gerbstoff, saftige Frucht, weiche Textur und tolle Länge. Wenn man diesen Wein im Glas hat, versteht man, warum Gumpoldskirchner Weine schon vor langer Zeit berühmt waren. 

Bewertung: 19/20 Punkten